Im letzten Frühling wurde Strabag Schweiz durch zwei Zukäufe zur Nummer drei im Schweizer Markt. Ein Gespräch mit Bernd Hofer, Direktionsleiter Hochbau GU/TU Bau, Baumeister / Rohbau, über «Swissness», Einkäufe und Aussichten. (die baustellen Nr. 01/2012)
«die baustellen»: Was haben Sie sich für das neue Jahr vorgenommen?
Bernd Hofer: Wir von Strabag Schweiz haben uns fürs 2012 und darüber hinaus viel vorgenommen. In erster Linie wollen wir die Integration von Brunner Erben und Astrada erfolgreich weiter führen und abschliessen. Und natürlich wollen wir in der neuen Konstellation erfolgreich im Schweizer Markt agieren.
Rund zehn Monate sind vergangen seit der Übernahme von Brunner Erben und Astrada. Wie läuft der Integrationsprozess?
Die Integration verläuft auf allen Ebenen, bis hinunter auf dem Bauplatz, sehr gut. Dank externer Unterstützung sind wie auf diesem Weg bestens geführt. Wichtig ist uns dabei, dass sowohl intern wie auch extern nicht der Eindruck entsteht, dass hier ein ausländisches Unternehmen alteingesessene Schweizer Firmen aufsaugt und entwurzelt. Wir sind ein Schweizer Unternehmen und wollen ein Schweizer Unternehmen bleiben. Das vertreten wir auch gegenüber dem Konzern. Bei so genannten Unternehmerkonferenzen diskutieren wir Bedürfnisse und Erwartungen und gleichen diese auf die Schweizer Gegebenheiten ab. Immer wieder sorgt dabei das Thema «Swissness» für Gesprächsstoff, das wir uns auf die Fahne schreiben.
Wie äussert sich diese «Swissness» im Alltag?
Der Begriff «Swissness» wird ja in der Regel begleitet von einer langen Liste von Worthülsen. Sie haben wohl ihre Berechtigung, machen den Begriff aber nicht greifbarer. Der Schweizer denkt, handelt und fühlt anders, als man es zum Teil im Ausland tut. Die Gründe dafür sind in den Traditionen, also in der Geschichte zu suchen. «Swissness» ist das Produkt, das aus diesem Konglomerat von Andersartigkeit hervor geht. In Reinkultur verkörpert wird sie etwa im Schweizer Taschenmesser oder in Schweizer Uhren, die weltweit den Ruf hochqualitativer Produkte geniessen. Auf den Bau bezogen ist die «Swissness» weniger etabliert, obwohl die bauliche Qualität und das handwerkliche Geschick in der Schweiz hervorragend sind. Als Schweizer Unternehmung innerhalb eines international tätigen Konzerns ist es uns deshalb ein Anliegen, unsere Bautätigkeit in der Tradition Schweizer Perfektion auszuführen.
Ist Anspruch an die Bau-Qualität in der Schweiz höher als im Ausland?
In ganz Europa ist der Anspruch im Konzern derselbe hohe. In der Schweiz wird vom Kunden aber grundsätzlich eine etwas höhere Qualität vorausgesetzt.
Wie ist das zu erklären?
Wohl dadurch, dass in der Schweiz der Planung einen sehr hohen Stellenwert beigemessen wird. Man nimmt sich mehr Zeit für Planung und Vorbereitung und schenkt den entsprechenden Fachleuten sehr viel Vertrauen.
Führt die fundierte Planung zu längeren Gesamtprojektlaufzeiten, verglichen mit dem Ausland?
Nein. Ich kann aus internationaler Erfahrung sagen, dass man sich selbst belügt, wenn man versucht, mit einer knapperen Planungsphase den Gesamtprozess zu beschleunigen. Mängel und Verdruss sind die Resultate solcher Art von Beschleunigung. Diese zu beheben und zu beseitigen bindet viel mehr Energie und Geld, als wenn man von Anfang an sauber geplant hätte.
Mit dem Jahr 2011 ist ein wirtschaftlich unruhiges Jahr zu Ende gegangen. Erwarten Sie fürs 2012 eine Beruhigung der Stimmung?
Nein, im Gegenteil. 2012 wird noch turbulenter werden. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft im Vergleich deutlich stabiler bleiben wird, als in gewissen anderen Ländern.
Von welcher Art Turbulenzen gehen Sie aus?
Der Preisdruck wird noch härter werden. Das ist sich die Branche wohl gewohnt, allerdings hat sich der Prozess in den vergangenen Jahren markant beschleunigt. Generell kann man sagen, dass Investoren im Zuge wirtschaftlicher Verwerfungen tendenziell zurückhaltender werden. Möglicherweise werden gewisse Projekte jetzt nicht angeschoben, von denen man sich als Dienstleister Aufträge hätte versprechen können.
In der Schweizer Baubranche war bislang nichts von Turbulenzen zu spüren. Bei Ihnen auch nicht?
Wir sind nicht unzufrieden, aber es könnte natürlich immer besser laufen. Aufgrund unserer sehr breiten Aufstellung – wir nennen das intern Tausendfüssler-Prinzip – trifft es uns nicht so hart, wenn irgendwo ein Bereich etwas weniger gut läuft. So sind wir optimistisch, dass wir uns gut durch wirtschaftlich schwierige Gegebenheiten manövrieren können.
Mitte 2011 blickten Sie in unserer Zeitschrift auf ein gutes halbes Jahr zurück und zeigten sich optimistisch für das zweite Halbjahr 2011. Hat sich der Optimismus bestätigt?
Ja, die gute Prognose hat zugetroffen. Insbesondere durch die Zukäufe von Brunner Erben und Astrada konnten wir unsere Auslastung und den Auftragsüberhang nach unseren Vorstellungen ins Jahresende bringen.
Sind weitere Zukäufe geplant?
Die zentralen Stichworte sind für uns momentan Integration und Konsolidierung. Für die künftige Entwicklung gibt es gewisse Ideen, auch bezüglich neuen Partnern. Schauen wir mal.
Welche Überlegungen haben zum Kauf von Brunner Erben und Astrada geführt?
Die Käufe haben sich aus der Erkenntnis heraus entwickelt, dass wir in der Schweiz aufgrund der Marktgegebenheiten aus eigener Kraft nicht weiter wachsen können. Mit den Übernahmen bot sich zudem die Chance, Fachleute aus sehr gut positionierten und fest verankerten Schweizer Unternehmen zu uns ins Boot zu holen. Es ist wichtig, solche Schweizer Fachleute in den eigenen Reihen zu haben, um den Markt optimal bearbeiten zu können.
Offenbar haben Ihnen diese Schweizer Fachleute bislang gefehlt. Dachte man, es ginge auch ohne?
Überhaupt nicht. Wir arbeiteten schon immer gemeinsam mit Schweizer Firmen, Subunternehmern, Lieferanten etc. Wir sind nicht diejenigen, die Schweizer Aufträge einholen und die Subunternehmer schliesslich ausserhalb der Schweiz suchen.
Sie beteiligen sich an einem Forschungsprojekt der ETH-Zürich zum Thema PPP. Das Modell wird in der Schweiz erst am Anfang. Inwiefern unterscheidet sich für Sie ein PPP-Projekt von einem konventionellen?
Von der Grundphilosophie unterscheidet sich ein PPP-Projekt nicht von der Art, wie wir auch alle anderen Projekte abwickeln: Wir finden gemeinsam mit dem Bauherrn eine Lösung, einigen uns auf Leistung, Preis, Termine, Qualität und Finanzierungsdetails und führen dann aus. Im PPP-Projekt kommt einfach noch der Faktor Betrieb hinzu, sowie die Tatsache, dass wir uns auch in der Finanzierung engagieren.
In der Schweiz kennt man PPP erst im Hochbaubereich. Denkbar wären aber auch Strassen- und Tunnelbauten.
Absolut. Im Strassen- oder Tunnelbau ist das Vorgehen exakt dasselbe, wie bei PPP-Projekten im Hochbau. Weil die öffentlichen Finanzen in der Schweiz sehr gut geregelt sind, halte ich es allerdings nicht für realistisch, dass Strassen oder Tunnels hierzulande im PPP-Modell erstellt und betrieben werden.
Man spricht immer wieder von einem gewissen Leidensdruck, der für die Etablierung des PPP-Modells notwendig wäre. In der Schweiz ist der zu klein.
Lassen Sie es uns nicht Leidensdruck, sondern Finanzierungslücke nennen. Ich glaube allerdings, das ist nicht der einzige Faktor. Oftmals befürchten Investoren und Bauherren, dass sie in einem PPP-Projekt nicht mehr mitreden und mitgestalten könnten. Das ist es allerdings nicht, was ich unter PPP verstehe. Beim PPP soll es vielmehr darum gehen, partnerschaftlich dafür zu sorgen, dass das Geld der Bevölkerung zielgerichtet und gut investiert wird.
Es gibt die Aussage von Ihnen, wonach Strabag Schweiz alles, was sie macht, mit dem Ziel der Kostenführerschaft tut. Was verstehen Sie unter dem Begriff der Kostenführerschaft?
Kostenführerschaft heisst, dass wir dem Kunden zum besten Preis und zur besten Qualität und zum vereinbarten Termin sein Produkt, das er bei uns bestellt hat, in partnerschaftlicher Zusammenarbeit fertig stellen. Die preisliche Gestaltung steht dabei, der Begriff impliziert es, im Vordergrund.
Ist der beste Preis der günstigste Preis?
Nein. Der beste Preis bezieht sich auf unser Qualitätsniveau. Die Qualität, die wir bieten, sollte bei keinem anderen Anbieter zu einem günstigeren Preis erhältlich sein.
Bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand läuft es anders. Da geht es um den tiefsten Preis.
Der Preisdruck ist bei Investitionen von öffentlichen Geldern überall gegeben. Das ist verständlich und grundsätzlich auch richtig. Um auch unter diesem Druck bestehen zu können, muss man die Prozesse so gut im Griff haben, dass trotzdem noch ein Verdienst resultiert. Aber es wird immer schwieriger.
Wie muss man sich in diesem Markt verhalten, um Geld verdienen zu können?
Man muss immer auf der Suche sein nach Verbesserungspotenzialen. Im Wissen darum, dass es nichts gibt, das man nicht noch verbessern könnte.
Konkret: Wo sehen Sie Kostenpotenziale?
Wir verfolgen die Ansätze des Lean Managements. Mittlerweile verfügen wir über ein eigenes, internes Anwendungsbuch dazu. Ziel ist es, unsere Leistungen mit einem Minimum an Reibungsverlusten zu erbringen. Auf allen Ebenen und in allen Prozessen. Vertieft man sich in die Materie, stellt man fest, dass es immer und überall noch Potenziale gibt. In manchen Bereichen grössere, in anderen kleinere.
Um bei den Marktpreisen bestehen zu können, muss man also bestrebt sein, den hintersten und letzten Reibungsverlust auszumerzen?
Wir machen uns grundsätzlich bei jedem Projekt Gedanken darüber, wie wir das Ziel mit möglichst wenig Verschwendung erreichen können. Diese Bestrebung ist nicht nur finanzieller, sondern beispielsweise auch ökologischer Natur: Ressourcenschonung und die Reduktion des CO2-Ausstosses sind ebenso zentrale Themen. Investoren und Bauherren legen auch auf solche Faktoren immer grösseren Wert.
Sind private Investoren und Bauherren in der Schweiz bereit, für bessere Lösungen etwas mehr zu bezahlen?
Immer mehr. Die Kunden legen grossen Wert auf nachhaltige Qualität und Vertrauenswürdigkeit und sind bereit, dafür zu zahlen. Das hat auch der VSGU, bei dem wir Mitglied sind, erkannt. Er kommuniziert intensiv dahingehend, dass die faire, qualitativ hochwertige und partnerschaftliche Arbeit die Basis ist, auf welcher sich die Mitgliedsfirmen betätigen.
Unter anderem dafür steht das VSGU-Qualitätslabel. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Die Anforderungen durch das Label decken sich mit unserem Verständnis von guter Dienstleistung. Wichtiger noch als die reinen Anforderungen durch ein Label ist es jedoch, dass die entsprechenden Werte im Alltag gelebt werden. Daraus entsteht der echte Vorteil für die Kundschaft.
Sie haben einmal festgehalten, dass Sie die grossen Potenziale einerseits im Infrastrukturbereich sehen, andererseits im Bereich nachhaltige Energieproduktion. Der Strabag-Konzern ist hierbei stark engagiert, beispielsweise im Windanlagenbau. Wie sieht es damit in der Schweiz aus?
In der Schweiz spüren wir davon bislang wenig und ich gehe davon aus, dass in den nächsten Jahren keine sehr grossen Volumina anfallen werden. Ähnlich bei den Solar-Anlagen, von denen ich meine, es könnte mehr getan werden. Grundsätzlich sind wir von unserer Kompetenz her absolut in der Lage, für jedes Projekt das optimale und unserer Meinung nach beste Energiekonzept zu evaluieren und umzusetzen. Heute arbeiten wir häufig mit Geothermie, was ich für sinnvoll halte. Insgesamt werden in der Schweiz in den nächsten Jahren die Wasserkraft und auch noch die Kernkraft die dominierenden Themen bleiben.
Parlament und Regierung wollen den Atomausstieg. Ihre Prognose dazu.
No comment.
Sie waren bis zum Jahreswechsel schweizweit verantwortlich für die Abteilung GU/TU. Welchen Anteil Ihrer Projekte wickeln Sie als TU ab?
Insgesamt kann ich sagen, dass die GU-Aufträge weniger sind als die TU-Aufträge. Der Auftraggeber vergibt gerne inklusive Planung.
Wie hat sich dieses Verhältnis in den vergangenen Jahren verändert?
Der TU-Bereich hat sich bei uns besser entwickelt, als der GU-Bereich. Das Westside in Bern war unser erstes sehr grosses TU-Projekt in der Schweiz. Daraus hat sich eine gewisse Sogwirkung entwickelt. Wir durften seither zahlreiche TU-Projekte abwickeln.
Wird sich das Verhältnis weiterhin zugunsten des TU-Modells entwickeln?
Ich glaube ja, zumal wir diese Entwicklung forcieren. Wir sind prädestiniert dafür, TU-Aufträge abzuwickeln, weil wir alle erforderlichen Bereiche in einem Haus versammeln.
Mit einem TU-Projekt wird unter anderem die häufig konfliktträchtige Zusammenarbeit von GU und Architekten anders geregelt. Lassens ich die Architekten gerne einbinden?
Ich sehe da überhaupt kein Problem. Denn ein TU-Projekt zeichnet sich ja nicht dadurch aus, dass in der Planungsphase Abstriche gemacht werden müssen. Natürlich ist der Architekt in einem TU-Projekt unmittelbarer mit allfälligen Inputs von anderen Bereichen konfrontiert. Aber wenn da ein gutes TU-Team ans Werk geht, macht das doch auch einem Architekten Spass.
Gibt es Fälle, in denen eine GU-Abwicklung angemessener ist?
Persönlich plädiere ich gar nie für eine GU-Abwicklung. Ich bin überzeugt, dass es optimal für das Projekt und den Kunden ist, wenn alles aus einer Hand erbracht werden kann.
Konsequenterweise müssten damit aufhören, GU-Leistungen zu erbringen.
Nein. Die Arbeit, die wir als GU erbringen, unterscheidet sich ja nur dadurch vom TU-Modell, dass der Architekt beim Bauherrn angesiedelt ist. Dadurch entstehen zwar womöglich Schnittstellenverluste, aber die Qualität der von uns erbrachten Leistungen ist in beiden Fällen auf dem gleichen hohen Niveau. Wenn sich ein Bauherr für eine GU-Abwicklung entscheidet, erbringen wir diese Leistung gerne.
Strabag Schweiz ist eingebettet in einen enorm grossen, internationalen Konzern. Leiten Sie daraus für Ihre Tätigkeit in der Schweiz einen Vorteil ab?
Strabag ist europaweit tätig. Im Konzern ist ein entsprechend riesiges Wissen versammelt. Bei fast jeder offenen Frage findet sich im Konzern eine Ansprechperson, die Erfahrungen beisteuern kann. Eine solche Möglichkeit ist natürlich auch für unsere Tätigkeit in der Schweiz von Vorteil.
Sie waren bereits in mehreren Ländern für die Strabag tätig. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welches Land für Sie infrage kommt und welches nicht?
Bislang haben mich jeweils Grossprojekte in die entsprechenden Länder gelockt. Auch in die Schweiz bin ich im 2006 aufgrund des Westside-Projekts gekommen. Als ich hier ab 2009 die Direktionsleitung übernehmen dürfte, habe ich meinen Lebensmittelpunkt in die Schweiz verlagert.
Ihre Tätigkeit in der Schweiz ist für Sie also keine Etappe, auf welche eine nächste in einem anderen Land folgt?
Wenn nichts Wesentliches dazwischen kommt und der Konzern weiterhin sein Vertrauen in mich setzt, werde ich die nächsten Jahre sicher in der Schweiz bleiben. Ja ich hätte auch nichts dagegen, den Rest meiner Arbeitszeit hier zu leisten. Man kann sich ja wahrlich schlimmere Destinationen als die Schweiz vorstellen.
Kann man sich als EU-Bürger überhaupt vorstellen, die Nicht-EU-Insel Schweiz jemals wieder zu verlassen?
Es geht mir nicht um die EU-Frage. Ich kann nur sagen: Seit ich in der Schweiz bin habe ich nie eine negative Erfahrung machen müssen. Im Gegenteil. Die Schweiz ist einfach ein Traumland. Tolle Leute, tolles Umfeld – perfekt gemacht.