Thank you and farewell Sir David

Anfang Mai wurde auf dem Youtube-Channel des pensionierten englischen Presse-Fotografen David Thorpe ein neues Video veröffentlicht. Wie seit ein paar Jahren gewohnt, klickte ich es sofort an, nachdem ich es entdeckt hatte. Es war ein auffällig kurzes Video, «A message from David» der Titel.

39 Sekunden später war aus der erwartungsvollen Vorfreude irritierte Traurigkeit geworden. «Hello everyone», begrüsste Thorpe sein Publikum mit etwas schwächlicher Stimme. Und kam ohne Umschweife zur Sache: «If you’re one of my subscribers or new to the channel I’m sorry to tell you that after a long illness this is probably the last message I’ll be making.» Er betonte die Freude, die es ihm bereitet habe, seine Erfahrung aus 50 Jahren Fotografie mit seinem Publikum zu teilen. Dann grüsste er und schloss mit seinem typischen: «Thanks for watching».

Das Video traf mich aus heiterem Himmel. In den vergangenen Jahren, in denen die Fotografie für mich an Stellenwert weiter zulegte, war David Thorpe zu einer Art Begleiter für mich geworden, zu einem virtuellen väterlichen Freund, der für seine so unaufgeregten, kompetenten und doch witzigen Beiträge aus der Erfahrung eines ganzen Fotografenlebens schöpfen konnte. Derart mit Know-how ausgestattet, prüfte Thorpe in seinen Videos Foto-Equipment auf seine Leistungsfähigkeit und spickte die sachlichen Kritiken mit praktischen Anregungen für den Einsatz. Zu Beginn des Videos „A look at Portraiture, Naturally“ liefert Thorpe die Zeile: „I’m talking about classical portraiture – mainly head-shots or close-ups – and designed to reveal the subject in their best light rather than showcase the photographer’s skill. A professional approach in other words. Sie begleitet mich heute bei jedem Shooting.

Thorpe war nicht der einzige Fotograf, dessen Weisheiten ich mir auf Youtube gerne anschaute. Und er war nicht der mit der grössten Gefolgschaft oder den schillerndsten Videos. Aber Thorpe war jener, dem ich mich mehr als allen anderen nahe fühlte –gerade weil er selbst sehr zurückhaltend auftrat. Er inszenierte sich nicht als YouTube-Star (der er nicht war), sondern liess sein Wissen wirken. Er musste nicht betonen, wie erfahren und kompetent er war. Man merkte es.

Drei Wochen nach «A message from David» verstarb David Thorpe. Seine Kinder ergänzten daraufhin den Video-Beschrieb um ein paar Zeilen. «We have been very touched by all the lovely comments from YouTubers who appreciated Dad’s work, and knowledge of photography. This channel was his pride and joy over the past decade or so, and he spent many hours working on it, in the room from which I am writing to you now. Thanks again to you all – it’s wonderful for us to know how popular Dad was.»

Vor zwei Tagen folgten noch drei kurze, vorab aufgezeichnete Videos, in denen Thorpe kleine oder grössere Begebenheiten aus seinem Fotografenleben schilderte. Jetzt dürfte es still werden auf dem Kanal. Farewell Sir David. Thanks for letting me watch!

Beat Matter

Beat Matter

Ich schreibe. Und ich fotografiere. Beides fliessend. Für Medien, Unternehmen, Stiftungen, Verbände, Vereine und Private.

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