Nach dem SNB-Entscheid zur Aufhebung des Mindestkurses ächzt die Exportindustrie unter dem starken Franken. Auch die Ernst Schweizer AG ist betroffen. Dennoch ist CEO und VRP Hans Ruedi Schweizer zuversichtlich. (intelligent bauen Nr. 02/2015)
«intelligent bauen»: Mitte Januar hat die SNB den Franken-Mindestkurs aufgegeben. Spüren Sie Auswirkungen?
Hans Ruedi Schweizer: Ja, stark sogar. Im durch den starken Marktrückgang in Europa ohnehin geforderten Geschäftsbereich Sonnenenergie-Systeme – einem von vier Geschäftsbereichen – sind wir zu rund 60 Prozent exportorientiert. Auch im Bereich Holz/ Metall-Systeme haben wir einen Exportanteil, wenn auch einen kleineren. In diesen Exportbereichen sind wir auf einen Schlag mit 15 bis 20 Prozent weniger Einnahmen konfrontiert.
Gleichzeitig wird der Materialimport aus dem EU-Raum günstiger.
Selbstverständlich. Das kompensiert aber nur einen kleinen Teil. Wir realisieren unsere Wertschöpfung in der Schweiz, haben hier rund 600 Arbeitsplätze.
Wie reagiert der Schweizer Markt?
Auch hier hat sich der Wettbewerb nach dem SNB-Entscheid nochmals verschärft. Bei vielen Objekten wird kurzfristig eine neue Vergaberunde durchgeführt, zum Teil, nachdem wir bereits Schlussverhandlungen geführt hatten.
Sie verzeichneten im vergangenen Jahr rückläufige Umsatzzahlen. Das Solargeschäft schloss deutlich negativ ab. Wie fällt ihr Gesamtfazit für 2014 aus?
Mit den reinen Zahlen können wir nicht zufrieden sein. Nebst dem sehr schwierigen Solargeschäft führten mehrere Grossobjekte, deren Ausführung verschoben wurde, zu dem Ergebnis. Glücklicherweise können wir die Aufträge jetzt produzieren. Ich bin aber auch mit vielem zufrieden, das wir im letzten Jahr erreicht haben. Wir konnten Verbesserungen realisieren, gerade auch im Bereich der Zusammenarbeit.
Der SNB-Entscheid hat alle überrascht. Hat er Sie auf dem linken Fuss erwischt?
Nein. Wir haben das Geschäftsjahr 2015 sorgfältig vorbereitet und strategische Entscheidungen gefällt, die uns jetzt helfen. Wir haben uns etwa vorgenommen, 2015 erst recht in der Schweiz stark sein zu wollen. Mit guten Produkten und mit gutem Kundendienst. In den Geschäftsfeldern, in denen unser Marktanteil bislang klein war, haben wir uns Wachstum vorgenommen. Nach dem SNB-Entscheid zeigt sich nun: Wir haben die richtige Strategie, müssen sie jetzt aber unter deutlich verschärften Bedingungen verfolgen.
Als exportierendes Unternehmen mussten Sie schon früher durchs Stahlbad.
Richtig, wir hatten bereits 2011 mit einem Währungsschock zu leben. Wir haben deshalb intensiv rationalisiert. Zudem haben wir vor zwei Jahren in Österreich die Doma Solartechnik GmbH gekauft, wo wir seither die neue Logistik für PV-Montagesysteme für Europa aufgebaut haben. Bestehende Produktionen haben wir nicht ausgelagert, wir wollen die Arbeitsplätze in der Schweiz halten.
Bei Fassaden, Fenstern und auch im Solarbereich ist der Kostendruck – auch wegen ausländischen Anbietern – sehr hoch. Was nun?
In der Schweizer Baubranche sind wir uns seit Jahren einen scharfen Wettbewerb gewohnt. Obwohl auf hohem Niveau gebaut wird, können nicht alle Marktteilnehmer mit der Ertragslage glücklich sein. Dies auch, weil ausländische Firmen in den Markt drängen. Durch den SNB-Entscheid sind diese nun auf einen Schlag nochmals 15 bis 20 Prozent günstiger geworden.
Wie wollen Sie reagieren?
Im Fassaden-Bereich, indem wir bei vorwiegend mittleren Objekten überzeugende Lösungen und durch unsere Nähe Verlässlichkeit in der Abwicklung bieten. Im Bereich Holz/ Metall-Systeme, wo die Logistik zentral ist, profitieren wir ebenfalls von unserer geografischen Nähe zu den lokalen Fensterbauern, die wir mit Rahmen beliefern. Grundsätzlich gilt: Durch Flexibilität und zuverlässige Dienstleistung können wir uns abheben. Dass es jedoch Ausschreibungen gibt – gerade auch von Grossobjekten –, in denen ausländische Mitbewerber markant günstiger offerieren, das wird es immer wieder geben.
Sie gelten als sozialer Unternehmer. Wie stellen Sie sich auf die unsichere Zukunft ein?
Wir stützen uns auf unseren Plan zur Arbeitsplatzsicherung, den wir in den letzten Jahrzehnten immer wieder angewendet haben. Er umfasst einen strategischen und einen operativen Teil. Strategisch führte er dazu, dass wir heute vier Geschäftsbereiche und ein breites Sortiment haben. Meine Erfahrung aus 38 Jahren im Unternehmen, davon 30 Jahre an der Spitze, ist, dass es immer rückläufige Bereiche gibt und gleichzeitig solche, in denen sich Wachstumsmöglichkeiten bieten. Davon gehe ich auch jetzt aus.
Ist mit Kündigungen zu rechnen?
Nein. Wir werden alles daran setzen, damit kein Stellenabbau aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt.
Welche personellen Massnahmen ziehen Sie vor?
Wird die Situation ganz schwierig, gibt es einen Einstellungsstopp und bauen wir temporäre Mitarbeitende ab. Zentral für uns ist, dass wir Mitarbeitende intern versetzen können. Das ist zwar für alle Beteiligten ein anspruchsvoller Prozess. Aber er ist uns im vergangenen Jahr in rund 20 Fällen gut gelungen. Der Angestellte verliert seine Stelle nicht. Und das Unternehmen verliert keine bewährte Fachkraft. Das ist die ideale Lösung.
Sie zählen auf Ihre breite Aufstellung. Ist eine noch breitere Aufstellung denkbar?
Wir sind als Unternehmen gut aufgestellt. Der Fokus liegt deshalb auf der Entwicklung in den einzelnen Geschäftsbereichen. Wir achten darauf, dass sie genügend innovativ sind, um sich selbständig weiterentwickeln zu können.
Mit welcher konjunkturellen Entwicklung rechnen Sie nun?
Die Schwankungen im Baubereich vollziehen sich erfahrungsgemäss langsamer und weniger radikal als beispielsweise im Energiebereich. Ich gehe davon aus, dass wir in der Schweiz trotz verschärftem Wettbewerb noch ein gutes Jahr haben werden.
Was unternehmen Sie im schwierigen Solarbereich?
Wir haben beschlossen, im laufenden Konsolidierungsprozess eine aktive Rolle spielen zu wollen. Deshalb haben wir vor zwei Jahren die Doma gekauft. Und deshalb haben wir per Jahresbeginn den Bereich Fotovoltaik-Montagesysteme von Hilti für Europa übernommen. Wir müssen uns im Solarbereich in die Breite entwickeln, um einen vernünftigen Umsatz realisieren zu können.
Es gibt ein Zitat von Ihnen, wonach Sie ein Unternehmen nicht als Gewinnproduktionsmaschine betrachten. Wie äussert sich das im Tagesgeschäft?
Das äussert sich in unserem Leitbild. Es besteht aus unseren vier Schweizer-Erfolgspunkten: Kundenorientierung, Mitarbeitende/ Gesellschaft, Umwelt, Wirtschaftlichkeit. Diese vier Punkte müssen vorhanden und intakt sein, sonst funktioniert unser Unternehmen nicht. Unser Geheimnis besteht nun darin, unsere tagtägliche Arbeit und alle Entscheidungen konsequent auf diese vier Erfolgspunkte, das heisst, die Nachhaltigkeit abzustützen. Das ist anspruchsvoll. Aber spannend und eben nachhaltig.
Sind immer alle Punkte gleich wichtig?
Unser System ist so ausbalanciert, dass nicht ein Aspekt alle anderen dominiert. Die Schwerpunkte sind aber nicht immer dieselben. In einer unsicheren wirtschaftlichen Lage steht selbstverständlich im Vordergrund, die Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Aber wir haben auch für das laufende Jahr Mittel für Umweltaspekte budgetiert.
Ihr Unternehmen ist bereits in den 1970er Jahren in die Solarenergie eingestiegen. Sie haben den Schritt damals mit Ihrem Vater gemacht. Wie kam das?
Ich war ein junger Mann, geprägt von den sozialen Fragen der 68er Bewegung. In den 1970er Jahren wurden dann die Energie-, Atom- und Umweltdiskussionen sehr breit geführt, auch wegen der Ölkrise. Ich trug in dieser Phase gewisse Ideen in die Firma, mein Vater zeigte sich offen. 1977 entschied er, in die Sonnenenergie einzusteigen und er fragte mich, ob ich den Bereich übernehmen wolle. Ich sagte zunächst für zwei Jahre zu. Nach einem Jahr stand für mich fest: Das ist spannend, ich bleibe.
40 Jahre später steht die Schweiz am Anfang der Energiestrategie 2050. Ärgert Sie die Energiepolitik der letzten Jahrzehnte?
Wir haben im Gebäudebereich in den letzten 40 Jahren sehr viel erreicht. Im Gegensatz etwa zum Autoverkehr, wo Emissionssenkungen durch technischen Fortschritt laufend durch explodierende Fahrzeugzahlen zunichte gemacht wurden. Das Fazit ist also gemischt. Mein Anspruch ist es, mit unserem Unternehmen zu einer positiven Entwicklung beizutragen. Und das tun wir. Von 1978 bis heute haben wir Umsatz und Personalbestand ungefähr verdoppelt. Der Energieverbrauch liegt aber nur 10 Prozent höher als damals – und ich möchte ihn weiter senken. Betrachtet man die Umweltbelastungspunkte und den CO2-Ausstoss, liegen wir sogar unter dem Niveau von 1978. Die Zahlen sind für mich der Beweis dafür, dass die Energiewende funktioniert.
Was versprechen Sie sich von dieser Energiestrategie 2050?
Es gibt Leute, die reden von einem halbleeren Glas. Ich meine, das Glas ist halbvoll. Die Strategie geht in die richtige Richtung, wenn auch viel zu langsam. Ich bin in mehreren Branchenverbänden aktiv und helfe, wo ich kann, dass die politische Entwicklung gut weitergeht. Ärgerlich fand ich, dass bereits Stunden nach dem SNB-Entscheid die ersten Exponenten den Stopp der Energiewende forderten. Das ist so kurzfristig gedacht.
Ein anhaltender Erfolg sind Ihre Briefkästen. Ihr Unternehmen ist schweizweit bekannt dafür. Was bedeutet dieser Imageträger für die Firma?
Er ist sehr wichtig. Ungefähr ein Drittel der Schweizer Bevölkerung hat einen Briefkasten von uns. Für unsere Verkaufsorganisation ist das Produkt ein Türöffner. Jedes Haus braucht einen Briefkasten. Jedes neue Haus bedeutet für uns also einen potenziellen Kundenkontakt. Das hilft auch den anderen Geschäftsbereichen.
Letzten Herbst gab es einen Festakt zum 40-jährigen Bestehen des Erfolgs-Briefkastens B74, den der Designer Andreas Christen und Ihr Vater entwickelt hatten. Weshalb der grosse Bahnhof für einen kleinen Kasten?
Erstens, weil es ein wichtiges Produkt ist für uns. Zweitens, weil wir seit 2008 mit dem Zürcher Museum «Haus Konstruktiv» zusammenarbeiten und jährlich eine Ausstellung sponsern. Im Herbst haben wir anlässlich des Jubiläums Christens Familie zur Ausstellung eingeladen. Aus Dankbarkeit und im Sinne eines Geschenks an die Familie haben wir zudem an unserem Geschäftssitz in Hedingen eine Sonderausstellung mit Arbeiten von Christen als Designer und Künstler eingerichtet.
Der B74 ist ein Wurf. Ärgert es Sie, dass Ihnen in Ihrer Ära kein solcher gelungen ist?
Überhaupt nicht. Ich freue mich und bin stolz, konnten Andreas Christen und mein Vater ein solches Produkt entwickeln. Für meinen Teil bin ich zufrieden, dass ich die Bereiche Sonnenenergie und Nachhaltigkeit aufgebaut und weiterentwickelt habe.
Sie sind jetzt 66 Jahre alt. Die nächste Generation mit Namen Schweizer sitzt bereits im Verwaltungsrat. Wie lange möchten Sie im Geschäft aktiv bleiben?
Es freut mich sehr, dass unser Sohn Samuel im Verwaltungsrat mitarbeitet und wir planen die Übergabe gemeinsam.