Schnell, pointiert, gefährlich – das ist Twitter. Seit gut einem halben Jahr ist der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) auf der Social Media-Plattform präsent. Weshalb, erklärt der SBV-Sprecher und -Twitterer Matthias Engel. (intelligent bauen Nr. 05/2013)
Der Twitter-Benutzer @BaumeisterCH (#819‘202’189) hat bei Redaktionsschluss insgesamt 1000 Tweets (Kurznachrichten mit maximal 140 Schriftzeichen) geschrieben oder weitergeleitet. Seine Nachrichten wurden von 300 Followern abonniert. Er selbst verfolgt die Nachrichten von 290 Twitterern. Hinter dem Account steckt der Schweizerische Baumeisterverband (SBV). Der Twitterer ist Matthias Engel, Politik + Kommunikation beim SBV. Der gemächliche Berner aus dem beschaulichen Münsingen bespielt für den SBV die schnellste Kommunikations-Plattform der Welt.
«intelligent bauen»: Kurze Fragen, kurze Antworten, okay?
Matthias Engel: Ja, solange es nicht weniger als 140 Zeichen sein müssen.
Der SBV ist seit September 2012 auf Twitter präsent. Weshalb?
Wir fanden, es sei an der Zeit, Social Media zu nutzen. Also fragten wir uns, welcher Kanal uns am ehesten zusagt. Wir entschieden uns für Twitter.
Was sprach für Twitter?
Twitter ist kurz und prägnant. Das passt zu den Baumeistern. Zudem haben wir gemerkt, dass die Schweizer Journalisten heute gerne auf Twitter herum turnen.
Sie wollen sich hauptsächlich mit Journalisten austauschen?
Wir wollen via Twitter im Gespräch bleiben, aber auch ins Gespräch kommen. Vor allem mit Politikern und Journalisten. Wir würden auch gerne mit unseren Mitgliedern via Twitter kommunizieren, doch der Dienst wird in der Baubranche noch selten aktiv genutzt.
Was sprach gegen Facebook?
Wir haben eine Facebook-Präsenz in Erwägung gezogen. Nachdem wir die Aktivitäten zum Beispiel auf dem Profil der Unia verfolgt hatten, kamen wir zum Schluss, dass die Facebook-Präsenz eher die Gegner mobilisiert.
Weshalb wollten Sie sich auf einen Kanal beschränken?
Das ist eine Frage der Ressourcen. Facebook ist aufwendiger als Twitter. Die User können auf Facebook selbständig auf die Profilseiten schreiben. Das erfordert Kontrolle und Moderation. Bei Twitter ist das nicht nötig. Das ermöglicht es, meine Twitter-Präsenz mehr oder weniger auf die Bürozeiten zu beschränken.
Wie wurde das Thema intern aufgenommen?
Positiv. Der Vorstand hat den Schritt diskutiert und darüber abgestimmt. Dabei kam offenbar Begeisterung auf, denn plötzlich musste es ganz schnell gehen.
Wie fällt Ihr Fazit nach gut einem halben Jahr aus?
Es ist zu früh für ein Fazit. Wir befinden uns noch in der Anfangs-Phase. Es war «e Chnorz», bis wir nur einmal 200 Follower hatten. Ein erstes Erfolgserlebnis konnten wir am Abstimmungssonntag im März verbuchen. Ein Tweet von uns zur RPG-Revision landete im entsprechenden Liveticker auf der Website des Tages-Anzeigers. Da bekamen wir erstmals das Gefühl, dass ein Tweet von uns etwas stärker wahrgenommen wird.
Erhalten Sie Rückmeldungen auf Ihre Tweets?
Es gab schon Reaktionen von Journalisten. Hauptsächlich im Vorfeld der Raumplanungs-Abstimmung. Es war klar, dass gerade in der Medienstadt Zürich rund drei Viertel der Stimmbürger und Journalisten unsere Meinung nicht teilen. So hat sich dann doch das eine oder andere Wortgefecht ergeben.
Sie twittern gerne Kritisches oder auch Korrigierendes, wenn in Medienbeiträgen ein Sachverhalt Ihrer Meinung nach falsch geschildert wird. Nützt es etwas, wenn man knapp 300 Followern erzählt, was ein Massenmedium Falsches veröffentlicht?
Es geht mir nicht darum, Fehler von Journalisten breit zu schlagen. Vielmehr spreche ich in konkreten Fällen die entsprechenden Journalisten direkt auf Twitter an, um sie auf Problematisches aufmerksam zu machen.
Wie fallen die Reaktionen aus, wenn Sie Journalisten direkt ansprechen?
Unterschiedlich. Manche gehen darauf ein, andere ignorieren es eher. Aus Kritik via Twitter ist einmal ein Leserbrief entstanden. Insgesamt kann man sagen: Sie lassen sich lieber loben als kritisieren.
Welchen Stellenwert hat Twitter verglichen mit herkömmlichen Kommunikationskanälen?
Es ist ein weiterer Kanal, um schnell mit uns in Kontakt zu treten. Journalisten sollen uns zu Bürozeiten innerhalb von 30 Minuten erreichen können. Sei es per Telefon, per Mail oder nun eben auch via Twitter.
Wie sind Sie zu dem Twitter-Ämtchen gekommen?
Wir sind nur ein Zweierteam in der Kommunikation. Da kommt man leicht zu neuen Ämtchen. Ich nutze privat weder Social Media noch besitze ich ein Smartphone. Vielleicht machte es meinem Chef Spass, einen ausgesprochenen Social Media-Grünschnabel auf die Welt loszulassen.
Sind Sie schon Twitter-süchtig?
Bisher nicht. Vielleicht spüre ich den Entzug im Sommer, wenn ich 14 Tage weg bin.
Gibt es ein Frustpotenzial?
Wenn überhaupt, dann frustriert mich manchmal eine gewisse Anti-Bau-Stimmung, die ich auf der Plattform spüre. Wenn am Freitagabend die Arena läuft und die SP-Nationalrätin Jacqueline Badran ihre Twitter-Keule schwingt, ist ihr der Twitter-Applaus leider sicher.
Gibt es eine Strategie, mit der Sie eine Gefolgschaft aufbauen wollen?
Nein. Wir haben zu Beginn die Medien sowie unsere Mitglieder informiert, dass wir jetzt auch auf Twitter erreichbar sind. Aber insgesamt sollten die Tweets als Grund zum Folgen ausreichen.
Wie viel Zeit widmen Sie der Twitterei?
Ich habe kürzlich ausgerechnet, dass es rund zwei Stunden pro Tag sind.
Das ist viel. Was sagt Ihr Chef dazu?
Er weiss, dass man Zeit investieren muss, wenn man sich auf einem neuen Kanal etablieren will. Und er weiss, dass es sich lohnt: Als wir den Gewerbeverband in Sachen Follower überholten, herrschte in unserem Büro beste Stimmung.
Verbände gelten als träge. Twitter ist blitzschnell. Wie geht das zusammen?
In einem guten Verband weiss man, welches die relevanten Themen, die relevanten Kontrahenten und die relevanten Argumente sind. Das macht es möglich, schnell zu reagieren.
Wie viele Leute segnen einen Tweet ab, bevor Sie ihn senden?
Nur der Engel. Meine Tweets gehen direkt raus.
Ein Tweet ist schnell geschrieben, ein Fehltritt schnell passiert. Wie sichern Sie sich ab?
Indem ich den Kopf beisammen habe. Das heisst zum Beispiel, dass ich nach einem internen Apéro die Finger von Twitter lasse.
Wie entscheiden Sie, wann Sie sich wie zu welchen Themen äussern?
Weitgehend spontan. Bei Abstimmungsvorlagen muss ich allerdings zunächst die Parole des Verbands abwarten. Die vertrete ich dann selbstverständlich. Gerne auch etwas frech.
Wie frech darf es werden?
So, dass ich es am Stammtisch noch sagen könnte, ohne dass ich gleich einem Bierglas ausweichen müsste.
Haben Sie schon einen Tweet bereut?
Nein.
Löschen Sie Tweets?
Nur wenn ich einen falschen Link verbreite. Ansonsten lasse ich alles stehen.
Glauben Sie, Ihr Twitter-Pensum wird noch grösser?
Möglich. Aber ich will keiner dieser 24 Stunden-Twitterer werden. Bei einer spannenden Arena am Freitagabend oder an einem wichtigen Abstimmungs-Sonntag twittere ich gerne mit. Mir jedoch am Samstagmorgen beim Frühstück den Kopf darüber zerbrechen, was ich jetzt Tolles twittern könnte, darauf habe ich keine Lust.