Urs Esposito, 52, Architekt, Designer und Dozent, tanzt auf vielen Hochzeiten. Auf einen Bereich festlegen will er sich nicht. Die verschiedenen Aspekte befruchten sich, sagt er. (die baustellen Nr. 06/2013)
Mein Vater war Architekt. Er kam abends immer sehr spät nach Hause. Wir hatten als Kinder wenig von ihm. Deshalb wollte ich nach der Mittelschule alles andere machen, als Architekt zu werden.
Mein Vater überredete mich trotzdem zu einem Architektur-Studium. Es sei ein vielseitiges Studium, das mir danach zahlreiche Möglichkeiten offenlasse. Das gefiel mir. Ich studierte schliesslich an der ETH in Zürich. Es war spannend. Ich bereute es nie.
Ende der 1980er-Jahre begann ich für das Büro Bétrix + Consolascio zu arbeiten. Ich konnte in dem Büro das CAD einführen. Nach einem Jahr konnte ich dank eines Stipendiums an der Mailänder Domus Academy einen Master in Industrial Design machen. Obwohl ich es ruhig angehen lassen wollte, arbeitete ich dann doch sehr intensiv. Es hat sich gelohnt. Ich habe zwei internationale Preise in Industrie-Design gewonnen.
Wieder zurück in Zürich brauchte ich Geld. Ich jobbte wieder bei Bétrix + Consolascio. Daneben gewann ich ein Bundesstipendium für angewandte Kunst. Die 15’000 Franken verwendete ich als Startkapital, um mich Ende 1991 selbständig zu machen.
Harter Anfang – gute Basis
Aus einer jugendlichen Naivität heraus stellte ich mir vor, einfach Wettbewerbe zu machen, an Projekte zu kommen und damit Geld zu verdienen. So lief es nicht. Nach zwei Monaten war mein Startkapital aufgebraucht. Da kam mir meine CAD-Erfahrung zu Hilfe. Ich konnte bei namhaften Büros CAD-Beratungen machen und mich damit über Wasser halten. Auch mit der ETH kam ich dadurch wieder in Kontakt. Am Departement für Architektur konnte ich in der Folge während 14 Jahren neben meiner Bürotätigkeit als Assistent und Oberassistent arbeiten, im Teilzeit- Pensum CAD-Dienstleistungen für Architektur- Büros anbieten. Das gab mir eine gute Basis für mein eigenes Büro.
Wettbewerbe kamen dann doch noch. Mein Erstlingswerk war ein Doppeleinfamilienhaus. Von Anfang an kamen jedoch häufiger Anfragen für Umbauten. Heute machen sie 70 Prozent meiner Bauaufgaben aus.
Ich bin damit hauptsächlich in drei Zentren tätig: in Küsnacht, Zürich und Kilchberg. Wenn man in einem Quartier einen Umbau macht, erzählen sich das die Leute. Wenn jemand einen Architekten braucht, spielt die Beziehung eine wichtige Rolle, selbst wenn sie nur über einen Nachbar läuft, der einen Architekten empfiehlt. Architektur ist eben ein Beziehungsdelikt.
Ich würde gerne mehr Projekte in Küsnacht realisieren. Ich lebe mit meiner Frau und meinen beiden Söhnen dort. Ich kann mich hier an Gemeindeversammlungen bei städtebaulichen Themen einbringen. Eine Vision von mir ist es, die Bahnlinie, welche die Gemeinde zweiteilt, teilweise unterirdisch zu führen. Die Resonanz ist verhalten. Dieser Vorschlag ist eingebettet in die Vision, die S-Bahn vom Stadelhofen bis nach Rapperswil über grosse Strecken unterirdisch führen zu können.
Design als befreiender Kontrast
Beim Bauen, speziell beim Umbauen reden sehr viele Involvierte mit, nicht zuletzt Behörden und Ämter. Design ist der Kontrast dazu. Hier schreibt niemand vor, wie was zu sein hat. Wer eine gute Idee hat, hat damit entweder Erfolg damit oder eben nicht.
Dieselbe Freiheit ist mir auch bei meinem Engagement für die Architekturabteilung der ZHAW wichtig. Unter dem Motto «Was wäre wenn» betreibe ich mit Architektur-Studierenden experimentelles Gestalten. Nicht das technisch oder finanziell Machbare steht im Vordergrund, sondern das Denkbare.
Ich tanze beruflich auf verschiedenen Hochzeiten. Nicht, weil ich mich nicht für einen Bereich entscheiden könnte. Sondern, weil ich überzeugt bin, dass sich und mich all die Aspekte gegenseitig bereichern.