Die Spar- und Leihkasse Leuk ist eine der kleinsten Banken der Schweiz. Im Einmannbetrieb von Flavian Kippel scheint die Zeit stillgestanden zu sein. Aber geschäftlich gesehen geht es gewaltig vorwärts: Die Bank macht während der Finanzkrise einen Rekordgewinn. (Migros-Magazin, 07.09.2009, Nr.37/2009)
Unten im Tal, ein Steinwurf entfernt vom Bahnhof Leuk, liegt die Sustener Filiale der grössten Schweizer Bank, der UBS. Weit über ihr, oben in Leuk Stadt, steht mit toller Aussicht ein dreistöckiges Mehrfamilienhaus. Rote Geranien zieren die Balkonbrüstungen. Nur zwei Fenster im Erdgeschoss stören das ortstypische Bild. Hinter Gitterstäben aus Stahl ist dickes Glas eingesetzt. Es bietet Schutz für etwas, was kein Fremder hier suchen würde: die Spar- und Leihkasse Leuk, eine der kleinsten Banken der Schweiz.
CEO, Filialleiter, Anlageberater, Schalterbeamter und Putzmann der Spar- und Leihkasse Leuk ist der 42-jährige Flavian Kippel. Er ist im 60-Prozent-Pensum angestellt. Seine Visitenkarte sagt, er sei Verwalter. Kippel, der nach der Handelsschule zweieinhalb Jahre lang bei der heutigen Credit Suisse in Zürich arbeitete, nennt sich «Mädchen für alles».
Rekordjahr in der Krise
In Kippels Kleinstbank, die aus nur einem Raum besteht, stapelt sich, was es in manch anderen Banken kaum mehr gibt: Papier. Geschäftliches wird in Bundesordnern archiviert, Zahlungen werden von Hand eingetippt, so etwas wie strukturierte Anlageprodukte gibt es nicht. Die letzte grosse Revolution erlebte die Bank vor knapp acht Jahren. Kippel ermöglichte es den Kunden, in Zusammenarbeit mit einer Zweitbank eine EC-Karte zu beziehen. Nur wenige nutzen sie.
Die Spar- und Leihkasse Leuk ist genossenschaftlich organisiert. Es gibt einen fünfköpfigen Verwaltungsrat und eine Aushilfe, die Kippel vertritt, wenn er Ferien macht. Dieser «gewaltige Apparat», wie Kippel scherzt, konnte sich im vergangenen Jahr, als das grosse Beben weltweit namhafte Banken ins Wanken oder gar zum Einstürzen brachte, über ein Rekordergebnis freuen. Erstmals in der 80-jährigen Geschichte resultierte eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Franken. Verglichen mit dem Jahr davor wuchs sie um 4,6 Prozent bei einer gleichzeitigen Gewinnsteigerung von knapp 2 Prozent.
Der Zufluss an Geld sei jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass scharenweise Kunden wegen der Finanzkrise von Grossbanken zu seiner Kleinstbank wechselten, sagt Kippel. «Vielmehr sind wir seit unserer Gründung in kleinen Schritten, dafür aber kontinuierlich gewachsen.» Das Rezept dafür stammt aus dem Kochbuch «Omas einfache Küche». Denn seit der Gründung bietet die Spar- und Leihkasse Leuk dieselben zwei Dienstleistungen an: Sie nimmt Spargelder entgegen, und sie gewährt Hypothekarkredite. «Dieses gesamte Geschäft refinanzieren wir mit eigenen Geldern», sagt Kippel nicht ohne Stolz. Das Geld, das die Sparer auf die Bank bringen, wird demnach als Hypotheken für Objekte in der Region wieder in Umlauf gebracht. Die Hypothekennehmer bezahlen dafür Zinsen, aus denen einerseits wiederum die Zinsen der Sparer und andererseits die Betriebskosten der Bank finanziert werden. Was übrig bleibt, ist Gewinn und fliesst einerseits als Dividenden zu den Genossenschaftern, andererseits in die Reserven der Bank.
Sparbüchlein und Hypotheken statt Fonds
Für den Erfolg dieses simplen Modells ist das Gleichgewicht von Sparern und Hypothekennehmern entscheidend. Kippel muss das Geld, das ihm die Sparer bringen, als Hypotheken anlegen können. Weil die Nachfrage nach Hypotheken in der Region allerdings begrenzt ist, ist massenhaft Geld von Grossbankflüchtlingen für Kippel nur von beschränktem Interesse.
Viermal wöchentlich öffnet Flavian Kippel um 16.30 Uhr für zwei Stunden den Schalter. Die 81-jährige Leukerin Sophie Eggo wuchtet die Holztüre auf. Sie hebt etwas Bargeld ab und hält einen kurzen Schwatz mit Kippel. Man ist per Du. Ihr Leben lang sei sie schon Kundin bei dieser Bank, erzählt sie. «Es ist so schön unkompliziert hier», lobt sie. Vor der Tür wartet derweil Alexandra Cina Sewer aus Salgesch, bis das «Schalterräumchen» wieder frei ist.
Sie, noch nicht Kundin, möchte wegen einer Hypothek anfragen. Man höre nur Gutes von dieser Bank, begründet sie. «Keine Bereicherung, keine Veruntreuung. Ich berücksichtige nur noch kleine, regional tätige Banken», sagt sie.
«Die Schweiz wird gestärkt aus der Krise herausfinden»
Anders als sie hat Kippel das Vertrauen in die Grossbanken nicht ganz verloren. Es seien nicht «wir Kleinen» gewesen, die zur Finanzmisere beigetragen hätten. Und er spricht von «Machtgehabe, arroganter Wirkung, Überheblichkeit und letztlich vom teilweisen Verlust der Übersicht und somit der Kontrolle über Anlageprodukte», wenn man ihn nach Fehlern der Grossbanken fragt. Alles in allem halte er es aber mit Bundespräsident Merz, der davon ausgehe, dass die Schweiz gestärkt aus der Krise herausfinden werde, sagt Kippel. Nach Schalterschluss und einigem Schreibkram schwingt er sich auf seinen Roller («meine CEO-Limousine») und braust nach Hause.