Roland Stoll leitet das Baumeister Kurszentrum Effretikon. Im Gespräch mit Susanne Kuntner, Inhaberin von sk consulting und mein job gmbh, erklärt er, wie sich die revidierte Bau-Berufsbildung auf das Zentrum und den Nachwuchs auswirkt. (Text und Fotos: Beat Matter für „die baustellen“ Nr.11/2024)
Roland Stoll, kurz zum Einstieg: Was ist das BKE?
Das Baumeister Kurszentrum Effretikon, eben kurz BKE, ist das Ausbildungszentrum der Sektion Zürich-Schaffhausen des Baumeisterverbands. Unser Hauptauftrag liegt in der Grundausbildung von Maurer/innen EFZ und Baupraktiker/innen EBA. Lernende aus den Kantonen Zürich und Schaffhausen besuchen ihre überbetrieblichen Kurse (üK) bei uns. Nach Sursee ist das BKE die zweitgrösste Maurerlehrhalle in der Schweiz.
Das Bildungsangebot des BKE beschränkt sich aber nicht auf die üK, oder?
Richtig. Neben der Grundbildung bieten wir ein umfangreiches Weiterbildungsangebot an, das teils Interessensgruppen über das Baugewerbe hinaus anspricht. Dazu gehören Kurse in den Bereichen Baumaschinen, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz oder auch Digitalisierung. Mit solchen Zusatzangeboten bieten wir Sektionsmitgliedern sowie branchenfremden Interessierten einen Mehrwert und lasten das Kurszentrum optimaler aus.
Das BKE kann auch von baufremden Branchen genutzt werden?
Auf jeden Fall! Die Seminar- und Bildungsinfrastruktur des BKE bietet vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Wir streben eine möglichst hohe Auslastung durch Grund- und Weiterbildungsangebote für die Baubranche an. Darüber hinaus können auch andere Verbände, Schulen und Firmen unsere gut ausgestatteten Schulungsräume mit Mensa, kostenlosen Parkplätzen und guter ÖV-Anbindung für Seminare und Schulungen mieten. Zudem steht derzeit die 900 Quadratmeter grosse Halle 9 leer, die ehemals vom Verband für Betriebsunterhalt genutzt wurde. Für sie suchen wir eine Bildungs- oder Non-Profit-Organisation als langfristige Mieterin.
Welche Aufgaben übernehmen Sie selbst im BKE?
Als Geschäftsleiter bin ich für die Leitung, Organisation und Weiterentwicklung des Kurszentrums verantwortlich. Mein primäres Ziel ist es, mit unseren hochwertigen üK zu einer hervorragenden Grundausbildung der Lernenden beizutragen. Parallel dazu engagiere ich mich dafür, dass wir das BKE mit marktorientierten und hochwertigen Weiterbildungskursen gut positionieren und möglichst ganzjährig auslasten können.
Die Grundbildung von Maurer/innen EFZ und Baupraktiker/innen EBA wird im kommenden Jahr auf eine neue Basis gestellt. Per Januar 2025 treten die revidierte Bildungsverordnung sowie die neuen Bildungspläne in Kraft.
Richtig. Lernende, die im August 2025 ihre Ausbildung beginnen, werden erstmals nach neuer Bildungsverordnung und neuem Bildungsplan ausgebildet. Das erste neue Qualifikationsverfahren (QV) für Maurer/innen EBA finden folglich 2027, jenes für Maurer/innen EFZ 2028 statt. Lernende, die jetzt schon in der Ausbildung sind, schliessen ihre Berufslehre auf den bisherigen Grundlagen ab.
Was ändert sich durch die Revision?
Augenfällig ist zunächst einmal, dass die Berufsbezeichnungen angeglichen werden. Die zweijährige Grundausbildung Maurer/in EBA wird damit aufgewertet. Das Hauptanliegen der Reform ist es aber, beide Grundausbildungen praxisorientierter auszugestalten und damit enger an den Bedürfnissen der Baupraxis auszurichten. Inhaltlich heisst das, dass beispielsweise Versetzarbeiten, Abdicht- und Dämmungsarbeiten sowie das Einsetzen von Schalungssystemen zur Grundausbildung dazukommen. Ebenso Aspekte der Kranausbildung, des Anschlagens von Lasten und der Höhensicherung. Durch einen allgemeinen Arbeitssicherheits-Block in den ersten Wochen der Lehre sollen die neuen Lernenden Baustellen-tauglich gemacht werden.
Was bedeuten diese Änderungen für das BKE?
Wir sind gefordert, die Lerninhalte ausgehend von den revidierten Bildungsplänen zu überarbeiten. In einem nächsten Schritt passen wir wo nötig die Infrastruktur an die neuen Lerninhalte an. Und ganz wichtig: Wir machen unsere erfahrenen Instruktoren fit, um die üK nach den neuen Vorgaben zu planen und erfolgreich durchzuführen.
Das klingt nach einem aufwändigen Prozess.
Für uns ist es ein Kraftakt, die üK neben dem laufenden Alltagsbetrieb neu auszurichten. Aber wir sind voller Motivation und Freude bei der Arbeit. Wir packen die Chance und nutzen die Vorlaufzeit, um ab Sommer 2025 eine sehr gute und zukunftsorientierte Grundbildung anbieten zu können.
Gegenwärtig sucht das BKE eine/n Leiter/in Grundbildung. Für die Rekrutierung arbeiten Sie mit Susanne Kuntner, Inhaberin von sk consulting, zusammen. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit?
Der Prozess steht noch am Anfang, die Zusammenarbeit ist aber sehr gut angelaufen. Leiter/in Grundbildung ist eine Schlüsselfunktion am BKE – ganz besonders in der gegenwärtigen Neuausrichtung. Mit ausgeprägten Fach- und Praxiskenntnissen sowie einem guten Teamgeist kann und muss unser neuer Kollege oder unsere neue Kollegin in einem wegweisenden Prozess viel Verantwortung übernehmen. Um für diese anspruchsvolle Aufgabe die passende Person zu finden, bin ich froh, auf Susanne Kuntners Unterstützung und Branchenerfahrung zu können.
Waren Sie selbst aktiv in die Revision der Grundbildung involviert?
Ich habe in einer Arbeitsgruppe an der Erarbeitung von Wegleitungen für Lehrbetriebe, üK und Berufsschulen mitgewirkt, die Anforderungen und Aufgaben der jeweiligen Lernorte definieren. Zudem entwickelten wir ein modernes Schnupperlehrtagebuch, Eignungstests, Checklisten etc., um den Mitgliedsfirmen praxisnahes Material zur Verfügung zu stellen. Auch bei der Erarbeitung der Ausführungsbestimmungen, die das Qualifikationsverfahren festlegen, konnte ich unsere üK-Erfahrungen einbringen.
Wie schätzen Sie den Nutzen der Revision und der konkreten Anpassungen ein?
Das lässt sich erst seriös beurteilen, wenn die überarbeiteten Grundbildungsinhalte umgesetzt sind und angewendet werden. Ich bin überzeugt von der Revision. Und ich glaube, dass die neuen Inhalte richtig und wichtig sind. Herausfordernd wird, dass wir künftig in gleich vielen üK-Tagen mehr Inhalte vermitteln müssen. Das führt zwangsläufig dazu, dass weniger Zeit bleibt, um Themen zu vertiefen und zu repetieren. Wir werden in den neuen üK primär fachliche Inputs und Einführungen geben, die dann im Lehrbetrieb vertieft werden müssen. Das wird für die Lernenden sowie die Berufsbildner in den Lehrbetrieben anspruchsvoller.
Die Revision fordert einen verstärkten Austausch zwischen Lehrbetrieben, üK-Zentren und Berufsschulen. Wie gelingt das?
Mit unseren regelmässigen Erfa-Tagungen verfügen wir über eine etablierte Plattform, um den Austausch mit den Berufsbildnern in der Praxis zu pflegen. Diese Tagungen werden wir intensiv dafür nutzen, um die revidierte Grundbildung mit vereinten Kräften umzusetzen. Das mittelfristige Ziel mit den Berufsschulen ist es, gemeinsam vernetzte Lern- und Lehraufgaben zu entwickeln. In der Berufsfachschule erarbeiten die Lernenden die theoretischen Grundlagen, die sie dann im üK praktisch anwenden lernen. Im Betrieb können sie diese neuen Kompetenzen vertiefen und festigen. So entsteht eine ideale, handlungskompetenzorientierte Ausbildung.
Eine Ausbildung, in der man schon im Schulzimmer merkt, wofür man lernt?
Ganz genau. Es ist entscheidend, dass man den Lernenden über den gesamten Lehrprozess hinweg aufzeigen kann, worauf sie konkret hinarbeiten. Sie sollen die Zusammenhänge erkennen zwischen dem, was sie heute lernen und dem, was sie damit später erledigen und erreichen können. Dieses Bewusstsein wirkt äusserst motivierend.
Die grosse Herausforderung der Baubranche ist es, überhaupt genügend Nachwuchs zu finden, der eine Berufslehre antritt. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?
Sie ist weiterhin sehr fordernd! Bis ins Jahr 2021 verzeichneten wir in den Kantonen Zürich und Schaffhausen relativ stabile Lernendenzahlen. Über mehrere Jahre hinweg starteten zwischen 145 und 150 Lernende Maurer/innen EZB und Baupraktiker/innen EBA in ihre Ausbildung. Dann gab es einen brutalen Knick, 2023 zählten wir noch knapp 90 neue Lernende. Im Spätsommer 2024 konnten wir wieder mit 120 Lernenden beginnen. Das ist erfreulich, aber doch substanziell weniger als bis vor drei Jahren.
Würden Sie dennoch von einer Trendwende sprechen?
Vorsichtig ja. Ich glaube, wir haben die Talsohle durchquert und können ein wenig zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Dafür geht ein grosser Dank an die Ausbildungsbetriebe unserer Sektion. Offensichtlich haben sie ihre Lehrangebote so überarbeitet, ausgerichtet und auch präsentiert, dass sie wieder eher ein Publikum finden. Dennoch bezweifle ich, dass wir es rasch zu den Lernendenzahlen von 2019 oder 2020 zurückschaffen. Und nicht zu vergessen: Als das BKE gebaut und eröffnet wurde, waren jährlich 300 neue Lernende auszubilden.
Die Zahlen sind nicht unwichtig. Fast wichtiger aber ist die Qualität der Schulabgänger/innen, welche die Branche für eine Berufslehre gewinnen kann.
Ganz klar! Die relativ hohe «Drop-Out»-Quote in den ersten Lehrwochen und -Monaten ist leider ein Indiz dafür, dass teils junge Leute in eine Baulehre starten, die das eigentlich nicht wollen oder die nicht dafür geeignet sind. Dem können wir mit einer guten Informationspolitik, mit guten Schnupperangeboten sowie praxisorientierten Aktionen begegnen. Die Erfahrung zeigt: Vielen Jugendlichen fehlt schlicht der Bezug zu handwerklichen Berufen. Bietet man ihnen aber Gelegenheiten, um ein Handwerk auszuprobieren, haben viele Freude daran.
Wie engagiert sich das BKE, um solche Angebote zu schaffen?
Jeweils am Zukunftstag führen wir den Aktionstag «Mädchen – bauen – los» durch. Das Angebot richtet sich namensgemäss spezifisch an weibliche Interessierte. Jährlich begrüssen wir 20 Mädchen, die erste Erfahrungen mit Mauersteinen und Mörtel sammeln. Kernstück aber sind die «Bau + Action – Tage» die wir im Januar zum vierten Mal durchführen. Ziel dieser Aktionswoche ist es, täglich 30 Schülerinnen und Schüler bei uns am BKE zu empfangen. An zehn Posten, die von Lernenden unserer Sektionsmitglieder betreut werden, erleben die Jugendlichen praxisnah wichtige Tätigkeiten des Baualltags. Am Samstag vernetzt die Lehrstellenbörse die Jugendlichen mit den Lehrbetrieben. Dabei können sie mit ihren Eltern vorbeikommen, ihre Erfahrungen teilen und direkt bei den Ständen der Lehrbetriebe vorbeischauen.
Wie ist der Erfolg?
Obwohl nur ein kleiner Teil der Teilnehmenden eine Lehre als Maurer/in beginnt, lohnt sich der Aufwand. Die Aktion hat eine gute Aussenwirkung und wird von den Unternehmern sehr geschätzt. Die Standplätze für die «Bau+Action-Tage» im Januar sind jeweils restlos ausgebucht.
Was fasziniert Sie daran, sich im BKE für die Aus- und Weiterbildung von Berufsleuten im Bauwesen zu engagieren?
Die Berufsbildung zieht sich wie ein roter Faden durch meinen Werdegang. Es ist ein Tätigkeitsbereich, den ich als erfüllend empfinde. Nach meiner Berufslehre als Maschinenmechaniker und meiner Weiterbildung zum Maschineningenieur war die Bildung stets ein zentrales Element in meinem Berufsleben. Meine Arbeit im BKE ist äusserst abwechslungsreich. Als Dienstleister der Sektion muss ich klar definierte Leistungen erbringen. Zugleich ist unternehmerisches Denken und Handeln gefordert, um das Kurszentrum mit einer guten Auslastung und einer guten Finanzierung nachhaltig zu bewirtschaften. Es ist eine fordernde und sehr spannende Aufgabe.