«Der Trick ist simpel: Ich spreche viel mit den Mitarbeitenden»

Als traditionelle Familienunternehmung bietet die «Ihr Baumeister»-Gruppe im Raum zwischen Zürich, Aarau, Luzern und Zug umfassende Bauleistungen an. Inhaber und Geschäftsführer Rolf Bucher erklärt im Gespräch mit Susanne Kuntner, Inhaberin von mein job gmbh und sk consulting, wie er am Puls seiner Mitarbeitenden bleibt. (Text und Fotos: Beat Matter für „die baustellen“ Nr.09/24)

Stellen Sie bitte kurz die Unternehmung und Ihre Funktion vor!

Die «Ihr Baumeister»-Gruppe besteht aus der Bucher und Joho AG sowie den Tochtergesellschaften Kiener Bau AG und Nufer Bau AG, die wir 2007 bzw. 2010 übernahmen. Wir sind eine traditionelle Familienunternehmung und bieten klassischen Hoch- und Tiefbau, der vom kleinen Kundenmaurer-Auftrag bis zur mittelgrossen Überbauung praktisch alles abdeckt. Wir sind recht breit aufgestellt, unsere Mitarbeitenden schätzen das. Als Inhaber führe ich die Unternehmung in dritter Generation. Und auch die vierte Generation ist bereits im Betrieb vertreten.

Welches Einzugsgebiet decken Sie ab?

Als Gruppe sind wir im Viereck zwischen Aarau und Zürich im Norden sowie Sursee/Sempach und Zug im Süden präsent. Auf speziellen Kundenwunsch gehen wir auch über dieses Einzugsgebiet hinaus. Mit Sitzen in Boswil, Waltenschwil, Baldegg und Sins sind die einzelnen Firmen der Gruppe weit genug voneinander entfernt, um sich am Markt nicht zu stark in die Quere zu kommen – und nahe genug, damit wir mit dem Inventar sowie dem Personal Synergien nutzen können. Wir versuchen, unsere Leute dort einzusetzen, wo sie ihre Stärken ausspielen und Spass haben können.

Wie finden sie heraus, was es dafür braucht?

Der Trick ist simpel: Ich spreche viel mit den Mitarbeitenden. Oft nehme ich gar Rücksprache mit ihnen, bevor wir offerieren. So beispielsweise, bevor wir die Ausführung des Skateparks Allmend in Zürich übernahmen, der mit rund 8500 Quadratmetern bis heute der flächenmässig grösste Skatepark Europas ist. Das Projekt erforderte viel Handarbeit, bedingte die Anfahrt in die Stadt Zürich und zog sich in die Sommerferien hinein. Das wollte ich intern besprechen, bevor ich es einfach von oben herab festlegte. So ergab sich ein schönes Projekt, an dem die Mitarbeitenden – darunter sogar einige Skater – bis heute Freude haben.

Womit zeichnen Sie sich gegenüber Ihren Mitbewerbern aus?

Wir haben einen treuen Stamm von langjährigen und erfahrenen Mitarbeitenden bei uns. Gleichzeitig kommen Jahr für Jahr neue Lernende zu uns, die wir ausbilden dürfen. So können wir über die Altersgruppen hinweg Teams bilden, in denen unterschiedliche fachliche und menschliche Stärken optimal zusammenspielen. Das gute und sorgsame Verhältnis, das wir untereinander pflegen, beschränkt sich nicht auf die Arbeit, sondern ist auch tragfähig, wenn im Privatleben Herausforderungen zu bewältigen sind. Mir ist klar, dass das sehr nach Marketing-Floskeln klingt. Aber wir versuchen, dieses Miteinander im Alltag wirklich zu leben.

Klappt das im oft hektischen Baualltag?

Ich war 29 Jahre alt, als ich in der Firma als jüngster Baumeister Verantwortung übernahm. Aus der Position des Jungspunds heraus musste ich lernen, die erfahrenen Mitarbeitenden zu respektieren, für voll zu nehmen und einzubeziehen. Heute habe ich graue Haare und denke schon darüber nach, wie es nach mir weitergehen soll. Nun bin ich gefordert, selbst die ganz jungen Kolleginnen und Kollegen zu respektieren, für voll zu nehmen und einzubeziehen. Als hilfreich erweist sich das Bewusstsein darüber, dass man nie ausgelernt hat und entsprechend nie alles wissen kann. Aus diesem Bewusstsein heraus entsteht der nötige Raum, damit sich ganz unterschiedliche Mitarbeitende mit ihren Ideen, Vorstellungen und Erfahrungen einbringen und ausleben können.

Das ist Ihre Haltung. Gelingt es, sie an die Mitarbeitenden im Unternehmen weiterzugeben?

Bedingt durch die Grösse, die wir mittlerweile erreicht haben, bin ich nicht mehr an allen Projektschritten hautnah dran. Dennoch versuche ich täglich, irgendwo an der Front präsent zu sein: Ich gehe auch bei Wind und Wetter raus auf eine Baustelle und interessiere mich dafür, was die Mitarbeitenden leisten und was sie bewegt. So schaffe ich Gelegenheiten, um die Haltungen und Werte vorzuleben, die ich im Unternehmen haben möchte. Und so unterstreiche ich als Chef, dass die Mitarbeitenden unser wichtigstes Gut sind, dem ich viel Aufmerksamkeit schenke.

Die drei Firmen der Gruppe operieren von drei Standorten aus. Ihre Leute sind auf zig verschiedenen Baustellen verstreut. Was ist nötig, um Ihre Werthaltungen und Standards überall gleichermassen vorzuleben?

Viel Autofahren (lacht)! Als wir den ersten Betrieb übernahmen und wir in der Folge von mehreren Standorten aus agierten, hatte ich die falsche Vorstellung, ich könnte einen Grossteil der Kommunikation per Mail, Telefon oder später auch per Videocall erledigen. Es zeigte sich, dass das wunderbar funktioniert, um Sachfragen zu klären, aber sehr einschränkend ist, um sich auf persönlicher Ebene auszutauschen. Deshalb bin ich viel unterwegs, bin vor Ort in den Firmen, im Werkhof, auf den Baustellen und spreche mit den Leuten.

Auf der Website betonen Sie die laufende Weiterbildung selbst von erfahrenen Fachleuten. Wollen das die alten Hasen überhaupt?

Das ist individuell. Wir führen mit jedem Mitarbeitenden Jahresgespräche. In diesem Rahmen holen wir die Bedürfnisse und Vorstellungen zur eigenen Weiterentwicklung ab. Gleichzeitig machen wir Vorschläge, wenn wir in bestimmten Bereichen Potenziale sehen. Unsere Mitarbeiter bringen eigene Ideen ein, worin sich ihre grosse Motivation zeigt, vorwärts zu gehen. Das wird beispielsweise bei der Digitalisierung und neuen Vermessungsgeräten wie etwa dem vollautomatischen Tachymeter etc. deutlich.

Erfahrung und bewährte Techniken stehen in der Praxis manchmal im Clinch mit neuem Wissen und modernen Prozessen. Gelingt Ihnen hier eine Kombination?

Ja, recht gut sogar. Es gehört eben zu unserer Kultur, dass die Mitarbeitenden mit ihren individuell gefüllten Rucksäcken auf Augenhöhe miteinander darüber reden, wie man Dinge besser machen kann. Und besser heisst nicht per se digital. Sondern besser heisst, dass reale Effizienzsteigerungen gelingen oder auch, dass die Mitarbeitenden entlastet werden. Solche Verbesserungen lassen sich meist nur dadurch erzielen, wenn neues Wissen mit bewährten Erfahrungen zusammenkommt.

Wie blicken Sie auf den Arbeitsmarkt in der Branche?

Wie alle anderen sind auch wir vom Fachkräftemangel betroffen. Aber: Ich kenne gar nichts anderes. Seit ich in Führungsfunktionen tätig bin, war es immer schwierig, Leute zu finden, die fachlich gut sind und die ins Team passen. Glücklicherweise ist bei uns immer irgendwo ein Türchen aufgegangen.  

Warum soll ich mich als Vorarbeiter, Polier oder Bauführer bei Ihnen melden?

Das Warum muss jeder und jede für sich selbst herausfinden. Wenn aber jemand das Gefühl hat, unsere Unternehmung könnte zu ihm, ihr und ihren Werten passen, dann würde ich mich über die Kontaktaufnahme freuen. Um das nötige Bild zu gewinnen, können Interessierte ganz ungeniert und offen mit mir reden. Und sich darauf verlassen, dass ich ihnen nichts «verkaufen» will, das wir nicht wirklich bieten können. Meiner Erfahrung nach ist das der einzige Weg, um Leuten zu begegnen, mit denen man langfristig zusammenarbeiten möchte. Auch Gespräche mit Mitarbeitenden und Kunden sind jederzeit möglich.

Um Kaderleute zu finden, die zum Unternehmen passen, arbeiten Sie neu mit sk consulting von Susanne Kuntner zusammen. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit?

Ich erlebe den Austausch mit Susanne Kuntner genau so, wie ich gerne Gespräche führe: geradeheraus, ehrlich und mit einer sehr positiven Haltung. Ich war immer der Meinung, die Zusammenarbeit mit Personaldienstleistern koste zu viel und bringe zu wenig. Nach den ersten Gesprächen mit Susanne Kuntner kamen ich jedoch zum Schluss, dass ich es mit ihr versuchen möchte. Nun bin ich zuversichtlich und gespannt, was sich daraus entwickelt.

Wie wichtig sind interessante Baustellen, um die Mitarbeitenden zu motivieren?

Sehr wichtig. Dies insbesondere, wenn man mit Leuten arbeitet, die nicht nur den Lohn im Blick haben, sondern die in ihrer Tätigkeit auch eine Sinnhaftigkeit finden wollen. Für sie braucht es Aufgaben, die sie fördern und fordern, ohne sie zu überfordern. Gelingt das, sind die Mitarbeitenden glücklich und arbeiten auf dem höchsten Qualitäts- sowie Effizienzniveau. So kreiert man Win-Win-Situationen.

Schaffen Sie es, jene Projekte zu akquirieren, die Sie dafür brauchen?

Nicht immer. Denn diese Erwartung stellt die Akquise vor grosse Herausforderungen. Nicht alle Mitarbeitenden haben die gleichen Präferenzen. Und nicht zu jeder Zeit gibt der Markt jenes Projekt her, das ideal zur Gruppe passt, die ich neu auslasten muss. Drängt sich ein Auftrag auf, von dem ich weiss, dass er nicht optimal passt, dann gehe ich aktiv auf meine Leute zu und erkläre ihnen, wie es dazu kam.

Haben die Mitarbeitenden Verständnis dafür?

Mehrheitlich ja. Es bestätigt sich immer wieder: Wenn ich meinen Mitarbeitenden offen begegne und transparent machen, worin meine Herausforderungen als Unternehmer liegen, erhalte ich häufig viel Verständnis. Dies umso mehr, wenn ich den persönlichen Kontakt suche. Das tue ich, indem ich präsent und nahbar bin. Ich stehe am morgen jeweils früh mit den ersten im Werkhof und trinke einen Kaffee. Am Feierabend bin ich meist länger im Büro und dort für alle erreichbar. Ein verständnisvoller Austausch ist möglich. Aber man muss ihn sich erarbeiten.

Für Familienbetriebe mit starken Werten ist Wachstum oft eine Herausforderung. Wie gehen Sie damit um?

Als ich im Betrieb anfing, waren wir 18 Mitarbeitende. Heute sind wir über die Gruppe hinweg saisonal bis zu 200. Ein solches Wachstum hat zwangsläufig betriebliche und auch kulturelle Auswirkungen. Ich habe die Unternehmensentwicklung in den vergangenen Jahrzehnten aktiv und sehr bewusst vorangetrieben, um die Gruppe optimal und zukunftsfähig zu positionieren. Dabei war und ist mir aber stets wichtig geblieben, dass ich den Bezug zu meinen Mitarbeitenden nicht verliere. Ich will am Puls meiner Leute bleiben und spüren, mit wem ich da unterwegs bin. Das macht die tägliche Arbeit nicht nur spannender, sondern auch einfacher. Denn je besser ich weiss, wie die Menschen ticken, mit denen ich arbeite, desto effizienter kann ich mit alltäglichen Problemstellungen umgehen.

Welche Ziele und Visionen verfolgen Sie mit dem Unternehmen?

Ich verfolge das Ziel, dass wir gesund bleiben. Dies auf individueller, körperlicher und geistiger Ebene, aber auch als Unternehmen. Ich engagiere mich dafür, dass wir nicht nur bis zum nächsten Geschäftsjahr, sondern auf Jahrzehnte hinaus ein sicherer und verantwortungsvoller Arbeitgeber bleiben. Die Firma soll den Rahmen bilden, in dem die jetzigen und künftigen Mitarbeitenden die gleichen Ziele verfolgen können, die auch mich antreiben: ein gutes Auskommen erarbeiten, einer Tätigkeit nachgehen, die sinnvoll ist und in der ich mich ein Stück weit selbst verwirklichen kann. Kurz: ein gutes Leben führen.

Beat Matter

Beat Matter

Ich schreibe. Und ich fotografiere. Beides fliessend. Für Medien, Unternehmen, Stiftungen, Verbände, Vereine und Private.

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