Claudia Cuesta César (27), Architektin, hat mit ihrem Partner «Integro» entwickelt, ein Pavillon zur Unterbringung von Flüchtlingen. Sie will auf dem Markt eine Alternative bieten und der Gesellschaft etwas Sinnvolles zurückgeben. („die baustellen“ Nr.03/2016)
Es war letzten Sommer am Hafen von Horta auf der Azoren-Insel Faial. Mein Partner und ich genossen die Ferien und hörten zugleich die Nachrichten von den immer grösser werdenden Flüchtlingsströmen in Europa. Im Hafen stapelten sich Hunderte Frachtcontainer. Plötzlich hatte ich eine Idee. Wäre es nicht sinnvoll, auf dem Grundriss eines Containers eine Flüchtlingsunterkunft zu konzipieren, die aber schöner und wohnlicher ist als ein Container? Dann waren wir nicht mehr zu bremsen.
Ich begann umgehend eine erste Idee aufzuskizzieren. Schon nach dem ersten Entwurf verwarf ich die schmale Rechtecksform. Auf ihr geht bei der Möblierung zu viel nutzbarer Raum verloren.
Ich erinnerte mich stattdessen an meine Bachelorarbeit, für die ich eine kleine Zelle für ein Stadtkloster entwickeln musste. Anders als viele Mitstudierende setzte ich damals auf einen quadratischen Grundriss. Für die Flächeneffizienz war das optimal. Deshalb basierte bereits die zweite Skizze für unsere Notunterkunft auf einem Quadrat. Nach dem dritten Entwurf hatte ich eine sinnvolle Lösung gefunden: den Pavillon «Integro».
Clever genutzte Kleinfläche
Integro ist bei einer Grundfläche von 36 Quadratmeter auf eine maximale Belegung von acht Personen hin entwickelt. Die Herausforderung war es, auf der ohnehin knappen Fläche keinen Platz zu verlieren und den Pavillon gleichzeitig so zu konzipieren, dass er effizient und günstig produziert werden kann.
Das Zentrum des Pavillons bildet ein Gemeinschaftsraum. Über ihn erschlossen sind je zwei Schlafnischen in jeder Ecke, eine kleine Küche, eine Nasszelle mit Dusche sowie ein separates WC. Als Wandelemente verwenden wir Dreischichtplatten, hinzu kommen eine formgleiche Boden- und Deckenplatte, auch sie in Holz. Integro ist gedämmt und mit allen notwendigen Installationen ausgestattet. Bei einem asphaltierten Untergrund reicht als Fundament dank nur elf Tonnen Gesamtgewicht eine Balkenlage. Dank der effizienten Flächenausnutzung sowie einer guten Materialeffizienz ist Integro günstiger als die bekannte Containerlösung für Flüchtlingsunterkünfte. Zudem ist unser Holzpavillon ökologisch sowie Made in Switzerland.
Um den Pavillon voranzutreiben, habe ich mit meinem Partner eine GmbH gegründet. Ich kümmere mich um alle Baufragen, er sich um alles Weitere. Wir haben einen Mikrokredit aufgenommen und auf der Crowdfunding-Plattform Wemakeit Geld gesammelt. Das Geld fliesst in den Pavillon. Unseren Aufwand haben wir bislang nicht vergütet.
Im Februar haben wir auf dem Bahnhofplatz in Baden erstmals einen Integro- Pavillon aufgebaut, um ihn Interessierten, Medien und Behördenvertretern zu zeigen. In rund vier Stunden stand der Rohbau. Die Resonanz war überwiegend sehr gut. Auch Vertreter von Behörden und im Flüchtlingsbereich tätigen Organisationen reagierten positiv. Noch fehlen jedoch Praxiserfahrungen damit.
Fähigkeiten nutzen
Ich bin als Kind mit meiner Mutter aus Kuba in die Schweiz gezogen. Ich bin dankbar für die Möglichkeiten, die sich mir hier boten. Ich konnte eine Lehre als Bauzeichnerin absolvieren, die Berufsmaturitätsschule besuchen, später Architektur studieren. Deshalb ist es mir ein Anliegen, der Gesellschaft etwas Sinnvolles zurückzugeben. Sei es nun im Bereich von Flüchtlingsunterkünften oder insgesamt von sozialen Wohnungsbauten. Mein Ziel ist deshalb klar: Wir wollen den Integro- Pavillon etablieren und beweisen, dass es auf dem Markt eine Lösung gibt, die besser und zugleich günstiger ist als die heute üblichen Varianten. Damit stehen wir ganz am Anfang, klar. Aber es geht jetzt los.