«Wir wollen Fassaden bauen, die architektonisch und funktional überzeugen»

Das Tamedia-Gebäude in Zürich, das Messezentrum in Basel, das Kunsthaus in Bregenz. Reto Demont, Inhaber und CEO der Feroplan Engineering AG ist dort, wo es spektakuläre Fassaden zu planen gibt. („intelligent bauen“ Nr.12/2015)

«intelligent bauen»: Welches war dieses Jahr die Fassade, an die Sie sich noch lange erinnern werden?
Reto Demont: Ich muss das Kunsthaus in Bregenz von Peter Zumthor oder die Messehalle in Basel von Herzog & De Meuron erwähnen, auch wenn die Projekte nicht aus diesen Jahr stammen. Das waren hochspannende Projekte.

Zählt bei «Star-Architekten» nicht einfach die Optik der Fassade?
Es zählen Optik und Funktionalität. Heute evaluieren die renommierten Architekten teils mit spezialisierten Designern als erstes, wie eine Hülle ausgestaltet sein muss, damit sie städtebaulich in das Umfeld passt. Dann aber kümmern sie sich ebenso leidenschaftlich um die Innereien von Hülle und Gebäude. Peter Zumthor beispielsweise erklärte uns beim Kunsthaus in Bregenz sehr detailliert, was in welcher Hüllenschicht passieren muss.

Dennoch: Die Ästhetik kommt zuerst. Wird sich die Tendenz noch verstärken?
Davon bin ich überzeugt, wir leben schliesslich in einer stark visuell geprägten Gesellschaft. Lange Jahre sagten die Bauherren einfach, was sie wollen. Das entsprechende Raumprogramm wurde erstellt. Man montierte eine Hülle drum herum. Fertig. Heute werden Gebäude – und vermehrt eben auch hohe Gebäude – sorgfältiger in das gebaute Umfeld eingepasst. Gerade im Zusammenhang mit Hochhäusern, die wir aufgrund des Bevölkerungswachstums auch in der Schweiz zwangsläufig häufiger realisieren werden, kann die Gebäudehülle mit ihrer ästhetischen Ausgestaltung dazu beitragen, dass die Gebäude gesellschaftlich besser akzeptiert werden.

Ist es in Ihrem Sinne, wenn mehr in die Optik der Hülle investiert wird?
Wir wollen Fassaden bauen, die architektonisch und zugleich funktional überzeugen. Unserem Bestreben klar zuwider läuft allerdings der gegenwärtig sehr ausgeprägte Glauben an die Gebäudetechnik.

Wie meinen Sie das?
Ich stelle fest, dass sich viele Bauherren derzeit eher von den Argumenten der Gebäudetechniker überzeugen lassen, als von jenen der Hüllen-Fachleute. Die Auftraggeber sind fasziniert von den Aussichten, dass im künftigen Gebäude vieles selbständig oder zumindest per Knopfdruck funktionieren wird. Entsprechend investieren sie.

Weshalb ist das ein Problem?
Problematisch ist, wenn es auf ein Entweder-oder hinaus läuft. Die Gebäudetechnik hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine enorme Entwicklung durchlaufen. Sie ist heute in der Lage, so viele Faktoren im Gebäude aktiv zu beeinflussen, dass es den Bauherren bisweilen nicht mehr so wichtig erscheint, dass das Gebäude um die Technik herum funktional und qualitativ hochwertig gebaut sein sollte. Elementare Aspekte des guten Bauens werden deshalb je länger desto weniger beachtet.

Was geht verloren?
Früher war selbstverständlich, dass man Gebäude so bauen muss, dass sie in der Umgebung, in der sie stehen, optimal funktionieren. Man berücksichtigte also Umfeld, Wettereinflüsse usw. und liess dieses Wissen in das Baukonzept einfliessen. Ein Paradebeispiel dafür sind die alten Engadinerhäuser, bei denen man mit dicken Wänden und kleinen Fenstern den winterlichen Wärmeschutz in den Griff bekam. Mittlerweile haben wir verlernt, mit der Natur und mit den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort zu bauen. Man vertraut darauf, dass es die Gebäudetechnik standortunabhängig schon richten wird. Dabei ergäben sich auf einem soliden Mittelweg aus etwas weniger Technik, dafür mit etwas mehr intelligenter Hülle, grosse Vorteile. Funktional, aber auch ästhetisch.

In Ihrer Unternehmensphilosophie schreiben Sie, man müsse aus alten Denkmustern ausbrechen, um neue Lösungen zu finden. Jetzt beklagen Sie, dass man nicht mehr baut, wie früher.
Mit dem «alten Denkmuster» meine ich die Situation, wie sie sich in den letzten Jahren präsentiert und zugespitzt hat: Die zunehmende Dominanz der Technik also. Um neue Lösungen zu kreieren, müsste man vielleicht tatsächlich vermehrt an die erwähnten ganz alten Denkmuster anknüpfen, diese aber frühzeitig in multidisziplinären Planungsteams an die modernen Erfordernisse anpassen und entwickeln.

Offenbar arbeitet man heute eher gegeneinander als miteinander.
Ganz klar: Im Bauwesen spielen zahlreiche Player mit und jeder will sich seine Vorteile sichern. Mit der Zusammenarbeit klappt es, wenn der Wille zum guten Objekt im Vordergrund steht. Meiner Erfahrung nach entstehen die besten Projekte, wenn ein Team zusammenarbeitet, das sich schon ein bisschen kennt. In eingespielten Teams, in denen man nicht zuerst die üblichen Grundkonflikte ausdiskutieren muss, bleibt mehr Zeit und Energie um sich gegenseitig zu noch besseren Ideen und Lösungen hochzuschaukeln. Dann macht es erst richtig Spass.

Wann werden Sie heute in die Projekte involviert?
Wir haben fünf, sechs professionelle Bauherren und zwei, drei Architekturbüros, die uns aufgrund positiver Erfahrungen aus gemeinsamen Projekten frühzeitig für eine Mitarbeit an ihren Projekten anfragen. Wir sind ein interdisziplinäres Team und so besteht in verschiedenen Aspekten der Planung die Möglichkeit, dass wir Vorschläge einbringen, die sich positiv auf das Gesamtgebäude auswirken. In ungefähr 80 Prozent der Projekte ist es allerdings so, dass wir erst ins Spiel kommen, wenn der Architekt das Vorprojekt bereits weitgehend abgeschlossen hat. Das ist schade, denn zu diesem Zeitpunkt sind Optimierungsvorschläge nicht mehr – oder nur noch mit grossem Aufwand umsetzbar.

Sie sagen, die Gebäudehülle gerate gegenüber der Gebäudetechnik zunehmend ins Hintertreffen. Wie liesse sich das ändern?
Man müsste die Aspekte der Hülle und die Anliegen der entsprechenden Branche besser positionieren, nicht zuletzt auch politisch. Es bräuchte wohl einen politischen Götti, der sich stärker für die Hülle einsetzt. Denn in der Politik wird das Gebäude fast nur noch unter dem Stichwort Minergie abgehandelt, das stark von der Gebäudetechnik geprägt ist.

Sie könnten der Götti sein.
Nein, dafür bin ich nicht der Typ. Während vielen Jahren Vorstand des Verband SZFF habe ich gemerkt, dass die Trägheit in Politik und Verbandswesen nicht meinem Naturell entspricht. Da investiere ich meine Zeit lieber im Geschäft und versuche, meine Ideen in konkreten Projekten umzusetzen.

Sagen Sie: Was ist ein guter Fassadenplaner?
Für eine gute Gebäudehülle sind Kompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen gefragt. Deshalb sehe ich es als Stärke, dass wir bei uns in interdisziplinären Teams arbeiten, in denen sich Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen kreuz und quer dreinreden und inspirieren können. Entscheidend nebst Fachwissen ist die Erfahrung. Ein guter Fassadenplaner ist man nicht, nachdem man irgendeine Schule abgeschlossen hat. Sondern man wird es, in dem man viele unterschiedliche Lösungen für Problemstellungen gesehen und ausprobiert hat und dabei – auf Deutsch gesagt – auch mal «ufd Schnore gheit isch».

Und was ist eine gute Fassade?
Insgesamt ist ein gutes Projekt oder Objekt eines, das die Nutzung und den Nutzer in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig architektonisch sowie auch gesellschaftlich akzeptiert wird. Selbstverständlich muss aber primär der Bauherr überzeugt und zufriedengestellt werden. Eine gute Gebäudehülle, zu der ich nicht nur die Brüstungsverkleidung, sondern auch die Fenster, Türen und das Dach zähle, hilft entscheidend mit, dass dies alles gelingt.

Sie muss also multifunktional sein.
Ganz klar. Ihre Kernaufgaben sind der Wärmeschutz, die Lichtführung und Beschattung, sowie die Lüftung und Sicherheitsaspekte. Hinzu kommt die Optik. In kaum einem anderen Bauteil ist die Funktion und die Ästhetik derart verbunden, wie in der Fassade.

Wie schätzen Sie das Potenzial von Solarfassaden ein?
Es wird geforscht und es taucht immer wieder neues Material auf. Stand heute ist der Wirkungsgrad von Solarfassaden aber zu klein, um einer sauberen Kosten-Nutzen-Rechnung stand zu halten. Zudem sind Solarfassaden, wie sie heute möglich sind, eine zu grosse gestalterische Einschränkung für den Architekten. Auch deshalb sehe ich ein deutlich grösseres Potenzial im Bereich der Fenster.

Wo?
In einem Projekt mit der ehemaligen Solarsparte von OC Oerlikon in Balzers und der HSG St. Gallen, bei dem es um die Entwicklung von Anlagen für die Bedampfung von Wärmeschutzgläsern mit einer Metalloxidschicht ging, fragte man mich, welche Entwicklung aus Sicht des Fassadenplaners wünschenswert wäre. Ich sagte, dass ich in der Möglichkeit grosses Potenzial sähe, Glas mit Massen von mindestens drei Metern Länge und 1,5 Metern Breite zu bedampfen. Grossflächiges Glas also, mit dem man zugleich die passive und aktive Solarenergienutzung abdecken könnte.

Man sagte mir damals, es sei technisch nicht möglich, Anlagen für so grosse Gläser zu fertigen. Die Firma blieb bei den Maschinen für die Beschichtung von kleinen Gläsern mit 50 mal 50 Zentimetern Seitenlänge, die als Solarpanele an Fassaden gehängt werden können. Mit Blick auf die heutigen Hochhäuser mit ihren riesigen Gläsern, die in Dubai und weltweit erstellt werden, ist für mich klar: Das wäre ein Moment gewesen, um grösser zu denken.

Glauben Sie, es wird in diese Richtung gehen?
Davon bin ich überzeugt. Wenn Sie ein Isolierglas anbieten können, das Strom produziert, den Sonnenschutzfaktor senkt und gleichzeitig noch den Wärmeverlust reduziert, dann haben Sie das Nonplusultra im Sortiment.

Sie sind mit Ihrem Büro in Chur, Zürich und Bern präsent. Wie wollen Sie das Unternehmen weiter entwickeln?
Wir spüren derzeit, dass sich die grossen Bauingenieurbüros immer mehr für die Gebäudehülle interessieren. Sie bauen entsprechende Abteilungen auf, um künftig ihre Expertise in der Tragwerksplanung mit der Planung der Hülle zu kombinieren. Wir könnten darauf reagieren, indem wir vermehrt auch Ingenieurleistungen anbieten. Wir überlegen uns allerdings, in eine andere Richtung zu gehen – und uns Designer ins Haus zu holen. Die Technik haben wir mittlerweile im Griff. Jetzt fände ich es spannend, wenn wir mit spezialisierten Fassadendesignern auf die immer wichtigere Ästhetik reagieren und damit den Architekten einen zusätzlichen Mehrwert bieten könnten.

Ist der Gang ins Ausland ein Thema für Sie?
Das ist schwierig. Wir bekommen sporadisch Anfragen aus dem Ausland, sind aber mit unseren Honoraransätzen kaum konkurrenzfähig. Nach entsprechenden Offerteingaben sagte man uns einmal, wir seien sicher gut und recht, aber sie bekämen die gefragte Leistung andernorts zum halben Preis.

Sind Sie selbst noch in Projekten als Planer tätig?
Ich habe mittlerweile eher mit Verträgen und Juristen zu tun und bin daneben als Manager und Psychologe tätig. Für das, was ich gerne machen würde – gestalterisch tätig sein und Visionen entwickeln – bleibt auf jeden Fall zu wenig Zeit.

 

Beat Matter

Beat Matter

Ich schreibe. Und ich fotografiere. Beides fliessend. Für Medien, Unternehmen, Stiftungen, Verbände, Vereine und Private.

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