Peter Gysi, 68, Schreiner und Modellbauer, hat in 40 Jahren Hobbyarbeit ein einzigartiges Werk erschaffen: 25 detailgetreue Modellbauten von herausragenden Brückenbaustellen des letzten Jahrhunderts. Jetzt läuft eine Ausstellung. (die baustellen Nr. 01/2015)
Angefangen hat alles schon zu Bubenzeiten. Ich bin in Thalheim aufgewachsen. Im benachbarten Andelfingen wurde in den 1950er- Jahren die Weinlandbrücke gebaut, eine der ersten Grossbrücken des Landes in Spannbeton, für die das vermutlich grösste hölzerne Sprengwerk erstellt wurde, das je in der Schweiz stand. Ich war fasziniert und ging fast jeden Sonntag zu Fuss nach Andelfingen, zu sehen, was sich auf der Baustelle verändert hat.
Später machte ich eine Schreinerlehre. Durch Vermittlung eines Onkels kam ich schliesslich als Schalungsbauer zum Brückenbau. Ich arbeitete an der Umfahrung Winterthur der A1 mit. Dann ging es ins Baselbiet, wo ich auf mehreren Baustellen, zum Beispiel beim Viadukt Eptingen, arbeitete und langsam zum Vorarbeiter aufstieg. Das Metier erlernte ich in der Praxis. Ich bin ein Generalist, kann fast alles ein bisschen, aber nichts perfekt. Für weitere Projekte ging es nach Zürich und in die Innerschweiz. In der Rezession der 70er- Jahre verlor ich meine Stelle und kam weg vom Brückenbau. Ab 1980 arbeitete ich für das heutige Zürcherische Kantonale Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft. Als Vorarbeiter konnte ich einen Unterhaltsabschnitt der Töss oberhalb von Winterthur übernehmen. Ich blieb, bis ich 2009 in Pension ging. Die Faszination für den Brückenbau ist erhalten geblieben, bis heute.
Plangenaue Baustellen-Modelle
Der Bau der Modelle von Brückenbaustellen geht zurück auf meine Arbeit im Baselbiet. Nach Fertigstellung der letzten Arbeiten an der Autobahn bei Eptingen sollte ich das Barackendorf räumen und die Pläne im Baubüro verbrennen. Stattdessen steckte ich einen kompletten Plansatz ein, als Erinnerung, denn wir vermuteten, dass es sich um die letzte Brücke handelte, für die ein komplett hölzernes Lehrgerüst zum Einsatz kam.
Anfang der 1970er-Jahre erlitt ich eine Schulterverletzung. Ich konnte nicht arbeiten. Mir wurde langweilig. Irgendwann nahm ich die eingesteckten Pläne aus dem Baselbiet hervor und begann, einen kleinen Träger nachzubauen. Das ging ganz gut. Ich machte weiter und weiter. Schliesslich hatte ich die ganze Baustelle im Massstab 1:100 nachgebaut.
Ich hatte dann viel anderes zu tun. Familie, die Arbeit, der Ausbau des Hauses. Es dauerte zehn Jahre, bis ich mich an das zweite Modell machte. Es war die Baustelle der Andelfinger Weinlandbrücke. Von da an reihte sich ein Modell an das andere. Darunter Corays Lehrgerüst der Salginatobelbrücke, das Vorschubgerüst der Hexentobelbrücke, der Gerüstturm des Sitterviadukts oder der Freivorbau an Menns Sunnibergbrücke. Hunderte von Arbeitsstunden stecken in einem Modell. Manchmal bleibt die Arbeit ein paar Wochen liegen. Ich versuche, mindestens eine Stunde täglich zu bauen. Aufgegeben habe ich nie, das würde mein Kopf nicht zulassen.
Aktuell arbeite ich an Corays Lehrgerüst der Tarabrücke in Montenegro in 1:200. Soeben landete ein Prospekt für eine Montenegro- Reise im Briefkasten, die an der Brücke vorbei führt. Das ist ein Muss. Ich habe noch jede Brücke besucht, deren Bau ich nachbildete.
Ausstellung als Anerkennung
Im vergangenen Frühling habe ich gemeinsam mit einigen Mitstreitern den Verein Brückenbau-Modelle (VBM) gegründet. Sein Zweck ist es, die Modelle zu erhalten sowie das allgemeine Interesse und das Verständnis für den Brückenbau zu fördern. Im November konnten wir an der Evangelischen Mittelschule Ems in Schiers eine Dauerausstellung eröffnen. 15 meiner Modelle sind dort versammelt. Für mich ist es eine Anerkennung von 40 Jahren Hobbyarbeit, die mich stolz macht. An der Eröffnung der Ausstellung kam ich emotional «ordli a Gränze».