Beat Jung, 23, Maurer, hat sich Anfang Oktober an den EuroSkills 2014 in Lille auf den zweiten Platz gemauert. Der Vize-Europameister aus Niederwil wünschte sich früher einen Bürojob. Weil er sich nicht gerne die Finger schmutzig machte. (die baustellen Nr. 10/2014)
Als mein Name für den zweiten Platz ausgerufen wurde, musste ein Schrei raus.
Der Wettkampf dauerte insgesamt vier Tage. Wobei der erste Tag für Vorbereitungen reserviert war. Dann standen wir drei Tage unter Hochdruck. In insgesamt 23 Arbeitsstunden mussten wir die Mauer mit unterschiedlichen Steinen, Winkeln und Bögen erstellen. Mein Gefühl während des Wettkampfs war durchzogen. Wir waren zu acht. Drei schafften das Werk nicht fertig. Einer stapelte die Steine während den letzten zwei Stunden freihändig ohne Richtschnur oder Senkel. Die sollten wohl zu schlagen sein. Wo ich unter den verbleibenden vier stand, konnte ich jedoch nicht abschätzen. Man sieht die eigenen Fehler halt immer überdeutlich. Ich hoffte sehr, nicht auf den vierten Platz zu rutschen. Dass es für den zweiten Platz reicht, hätte ich nicht gedacht. Wahnsinn.
Ende der Wettkampf-Karriere
Der Berufswettkampf ist in den letzten Jahren eine Art Hobby geworden, das mit meinem Berufsalltag als Maurer bei der Schlauri + Holenstein AG nicht viel zu tun hat. Bei Maurerarbeiten kommen ja zügig die Akkördler zum Einsatz.
Bei Kursen gegen Ende meiner Lehrzeit kamen Experten der Maurerlehrhalle Gossau erstmals mit dem Thema Wettkampf auf mich zu. Ich hatte Lust, mich mit Berufskollegen zu messen. Es begann mit kleinen Ausscheidungen in Gossau, dann kam die regionale Meisterschaft. Mein Ehrgeiz wuchs, meine private Ausrüstung wurde immer besser. 2012 konnte ich an die Schweizermeisterschaft. Ich schaffte es auf den dritten Platz. Das hätte der Schlusspunkt sein können. Weil sich aber der Zweitplatzierte in jenem Jahr gegen eine Teilnahme an der Europameisterschaft entschied, konnte ich seinen Platz erben. Ein glücklicher Zufall.
Schon vor der EM war einigermassen klar, was von uns verlangt würde. Wir erhielten einen Plan, der zu ungefähr 60 Prozent der Wettbewerbsvorgabe entsprach. Mit meinem Betreuer, René Engetschwiler, konnte ich mich deshalb konkret vorbereiten und das Stück zwei Mal mauern. Beim ersten Mal schien es mir unmöglich, das Werk in der geforderten Zeit zu erstellen. Am Wettkampf klappte es, nicht zuletzt, weil ich kühlen Kopf bewahrte. So schnitt ich beispielsweise alle meine Steine feinsäuberlich zu, während die Mitbewerber längt zu mauern begonnen hatten. Die Taktik ist aufgegangen. Der EM-Erfolg ist das schöne Ende meiner Wettkampf- Karriere.
Schalter umgelegt
Mein Vater ist ebenfalls Maurer. Vielleicht hat er mir den Beruf in die Wiege gelegt. Das Interesse am Handwerk war bei mir jedoch nicht von Anfang an da. Ich wünschte mir eher einen Büroberuf. Ich machte mir nicht so gern die Finger schmutzig. Als ich während Schulferien einmal Geld verdienen wollte, organisierte mir mein Vater dennoch einen Ferienjob auf dem Bau. Und da war es, als würde jemand einen Schalter umlegen. Handwerklich tätig zu sein, entsprach mir plötzlich vollkommen. Ich schnupperte schliesslich in ein, zwei anderen Berufen, dann entschied ich mich für eine Lehre als Maurer.
Mittlerweile habe ich die Polierschule angefangen. Nach dem ersten Unterrichtsblock bin ich jetzt in der Praktikumsphase. Ich darf ein kleines Team führen. Das ist anspruchsvoll und macht mir Freude. Ich kann mir eine weitere Baukarriere gut vorstellen. Hingegen werde ich vermutlich nie eine eigene Firma gründen. Ich mag es, ein bisschen Freizeit zu haben.
Seit dem Erfolg in Lille und dem Dorffest, das man in Niederwil daraufhin für mich organisierte, sind erst wenige Wochen vergangen. Ich denke häufig daran. Etwa beim Einschlafen.