„Aber jetzt reichts! Man darf die Piste nicht mehr verlassen!“, sagt Bergführer-Präsident Pierre Mathey dem Blick heute energisch. Grund dafür sind zahlreiche Lawinen-Tote, die es in den vergangenen Tagen zu beklagen gab: Elf seit Weihnachten. Vier alleine am gestrigen Sonntag.
Bereits vor dem vergangenen Wochenende warnte Mathey, man solle die Piste nicht verlassen, weil die Lawinengefahr zu gross sei. Heute sagt er dem Blick, die Warnungen vom vergangenen Freitag hätten offenbar nicht gereicht. Und das Lawinenrisiko sei seither sogar noch gestiegen.
Matheys expliziter oder impliziter Ruf nach einem Verbot ist seltsam. Nicht nur, weil die Gefahrensituation vermutlich das Geschäft der Bergführer fördert, die er vertritt. Ein von ihm angesprochenes Verbot hat zudem weder eine rechtliche Basis, noch liesse es sich mit vernünftigem Aufwand durchsetzen.
Eine weitere Irritation kommt hinzu: Die energische Wortwahl Matheys lässt vermuten, dass in den Schweizer Alpen derzeit enorme Lawinengefahr herrscht. Doch das ist nicht der Fall, wie ein Blick auf das Lawinenbulletin des Instituts für Schnee- und Lawinenforschungs SLF von heute Montag zeigt: Es bezeichnet die Lawinengefahr im gesamten Schweizer Alpenraum als „erheblich“.
Das SLF verwendet fünf Stufen zur Einordnung der Gefahrenlage: 1: gering. 2: mässig. 3: erheblich. 4: gross. 5: sehr gross. Nach Einschätzung des SLF herrscht im Schweizer Alpenraum derzeit die mittlere Gefahrenstufe.
Das Problem, das sich daraus ergibt, ist also nicht zuletzt ein Problem der Begrifflichkeiten: Die Warnungen von Bergführer-Präsident Mathey wirken – trotz Todesfällen – übertrieben. „Man darf die Piste nicht mehr verlassen!“, ein solcher Aufruf liesse sich vielleicht mit sehr grosser, allenfalls auch grosser Lawinengefahr begründen – nicht aber mit (nur) erheblicher Lawinengefahr. Die mittlere Gefahrenstufe steht hier im gefühlten Widerspruch mit der maximalen Warnung des Bergführers. Die Warnungen deshalb in den Wind zu schlagen, kann sich jedoch als tödlicher Fehler erweisen. Das zeigt ein SLF-Diagramm basierend auf Daten seit 1936 eindrücklich (weitere Statistiken hier).
Am meisten Todesopfer gibt es bei mässiger bis erheblicher Lawinengefahr. Bei sehr grosser Lawinengefahr liegt der Anteil der registrierten Todesopfer nahe 0%. Aus statistischer Sicht wäre demnach ein massiver Anstieg der Lawinengefahr sicherer als das Mathey’sche Verbot.