Marcel Gmür, 43, Abteilungsleiter Baukontrolle der Stadt Zürich, setzt lieber auf psychologisches Geschick als auf scharfe Worte. Es sei nicht nachhaltig, Leute am Kragen zu packen, sagt der Bündner. (die baustellen Nr. 02/2013)
Ich führe ein Team aus acht Mitarbeitern. Wir gehören zum Amt für Baubewilligungen. Unsere Aufgabe ist es, den Ablauf jener Bauprojekte zu kontrollieren, die unsere Kollegen bewilligt haben. Wir begleiten die Projekte bis und mit Bauabnahme.
Auf der Website der Stadt Zürich wird die Anzahl unserer Baukontrollbesuche mit 8500 beziffert. Die Zahl deutet an, dass uns nicht langweilig wird. Sie ist aber nicht mit der Anzahl Projekte zu verwechseln, die wir jährlich betreuen. Denn zwischen Eröffnung einer Baustelle und der Schlussabnahme besuchen wir ein Projekt mehrere Male.
Ganz wichtig in der dichtbesiedelten Stadt ist die Frage, wie ein Bauplatz optimal installiert werden soll. Unsere Aufgabe ist es, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Das heisst, wir müssen gemeinsam mit den Bauunternehmungen nach Lösungen suchen, damit eine Baustelle nicht zur Gefahr für Passanten wird. Während der Ausführung kontrollieren wir die Massnahmen laufend und überprüfen bereits stichprobenartig baurechtliche Aspekte – etwa, ob ein Gebäude so hoch gebaut wurde, wie es erlaubt war. Den Abschluss macht dann die Abnahme.
Psychologisches Geschick
Es gehört zu unserem Job, häufig sagen und erklären zu müssen, wie etwas nicht gemacht werden darf. Die Erfahrung lehrt uns: Mit lautem Rufen und Schreien und mit den bösen Briefen kommen wir nicht am schnellsten zum Ziel. Es erzeugt nur Widerstand, der unsere Arbeit nur erschwert. Wenn man den psychologischen Ansatz wählt und vielleicht mit ein paar Soft Facts daherkommt, funktioniert es besser. Wir haben ein Suva-Mandat, um die Arbeitssicherheit zu kontrollieren. Wenn man nun zum Beispiel einem Arbeiter begegnet, der sprichwörtlich damit beschäftigt ist, den Ast abzusägen, auf dem er sitzt, ist es nicht nachhaltig, ihn am Kragen zu packen und zurechtzuweisen. Sinnvoller ist es, ihn vielleicht freundlich zu fragen, ob er Familienvater sei. Die Einsicht kommt dann schnell. Mit Freundlichkeit und etwas psychologischem Geschick lassen sich viele Konfliktsituationen vermeiden. Dass es daneben Situationen gibt, in denen bestimmtere Worte nötig werden, liegt auf der Hand. Das muss gar nicht unbedingt an mangelnder Einsicht von Bauleuten liegen. Häufig achten sie im Alltagsstress gar nicht auf Gefahrenpotenziale, die uns als aussenstehende Experten sofort ins Auge springen. Zwangsmassnahmen müssen wir sehr selten ergreifen.
Mit der Liebe nach Zürich
Ich bin gelernter Maurer, habe eine Zusatzlehre als Hochbauzeichner gemacht und dann den Bauleiter. Ich habe als Projektleiter in einer GU in Chur gearbeitet. Als die Kinder kamen, sehnte ich mich nach einem Job, der zeitlich berechenbarer war. Die Arbeit hat mir zwar sehr gefallen, doch ich kam zum Schluss, dass ich etwas ändern muss, wenn ich mehr von meiner Familie haben möchte. Meine Frau wollte zu diesem Zeitpunkt wieder nach Zürich ziehen, und so schaute ich mich hier nach einer neuen Stelle um. Ich begann in der Abteilung, die ich jetzt leite, als Baukontroll-Experte. Das ist zehn Jahre her. Heute verbringe ich sehr viel Zeit im Büro. Das Führen ist eine Passion geworden. Trotzdem mag ich es, wenn ich für einen Kollegen die Ferienvertretung machen und wieder einmal vor Ort sein kann. Solche Ausseneinsätze helfen, nicht den Bezug zur Praxis zu verlieren. Bei schönem Wetter beneide ich meine Kollegen manchmal. Bei schlechtem Wetter sie mich.