In vierter Generation führt Thomas Imperiali das Familienunternehmen Imperiali + Cie AG. Ob die Tradition weitergeht, will er nicht prognostizieren. Klar ist: Die Luft im Markt ist dünn. (die baustellen Nr. 04/2012)
«die baustellen»: Wir feiern nach wie vor einen Bauboom. Die Auftragsbücher sind weitherum prall gefüllt. Alles baut und klotzt, organisiert und rennt. Sie auch?
Thomas Imperiali: Absolut. Besonders jetzt im Frühling. In dieser Jahreszeit ist bei uns akquisitorisch viel los. Glücklicherweise mangelt es nicht an potenziellen Auftragen.
Wie sieht Ihr Auftragsbuch aus?
Den Umstanden entsprechend gut.
Auf welche Frist hinaus sind Sie ausgelastet?
Wir sind hauptsachlich im kleinen Infrastrukturbereich tätig. Da sind je nach Saison Auftragsvorrate von zwei bis sechs Monaten realistisch. Aktuell liegen wir bei vier bis fünf Monaten.
Sie sprechen von saisonalen Schwankungen. Muss man diese einfach als «normal» akzeptieren?
Ja. Beispielsweise im Belagbau können wir im Winter kaum tätig sein. Wir sind in diesem Bereich von Mindesttemperaturen abhängig, um die gewünschte Qualität liefern zu können. Hinzu kommt, dass in öffentlichen Gemeinwesen häufig im Jahreszyklus gedacht wird. Die Planungen laufen von Jahr zu Jahr, über die Weihnachtsfeiertage hat man am liebsten keine laufenden Baustellen. Im Hochbau ist das ganz anders.
Diesen Januar und Februar war es während einiger Wochen bitterkalt. Wie verhält sich da ein Bauunternehmen?
Wir mussten für uns einen gangbaren Weg finden. Zum Teil wurden aufgelaufene Ferienguthaben aus dem Vorjahr abgebaut, zum Teil Überzeit. Weil wir nicht abschätzen konnten, wie lange diese Kältephase anhalten wurde, beanspruchten wir auch die Schlechtwetterausfall-Entschädigung.
In Hochkonjunktur-Phasen locken Wachstumsentscheidungen, die in schlechteren Zeiten zum Problem werden können. Sind Sie durch die saisonalen Zyklen vor solchen Fehlentscheiden gefeit?
Der eine Zyklus unterliegt nicht dem anderen. Es ist vielmehr eine Frage der Strategie. Verfolgt man eine expansive Strategie, ist man tendenziell mit höheren Risiken konfrontiert, als wenn man sich an der bestehenden Substanz orientiert. Unser Unternehmen ist so aufgestellt, dass wir nicht auf die grosse Expansion aus sind.
Welches sind Ihre langfristigen Ziele?
Theoretisch arbeite ich noch zehn Jahre bis zu meiner Pensionierung. Da ist es nicht ganz einfach, von langfristigen unternehmerischen Zielen zu sprechen.
Also mittelfristige Ziele.
Ich führe das Familienunternehmen in vierter Generation. Eine Prognose, ob die Tradition noch eine Generation weitergeht, wage ich allerdings nicht. Die personellen Voraussetzungen waren gegeben. Ob eines meiner Kinder das Geschäft weiterfuhren mochte, weiss ich aber noch nicht. Wir werden innerhalb der nächsten fünf Jahre einen grundsätzlichen Entscheid fallen.
Wie stark ist ein familiäres Bauunternehmen wie Ihres von der Person des Besitzers abhängig?
Bei uns ist das stark der Fall. So mache ich beispielsweise einen grossen Teil der Akquisition. Diese Abhängigkeit von einer Person ist ein grosses Risiko. Das bin ich mir bewusst.
Probieren Sie, dem Risiko entgegenzuwirken?
Ich versuche meine Mitarbeitenden wo immer möglich zu involvieren. Angesichts der Tatsache, dass wir ein Familienunternehmen sind, welches ich als Mehrheitsaktionär führe, liegt es allerdings auf der Hand, dass es gewisse Grenzen beim Delegieren von Verantwortung gibt.
Wenn man die Margen-Problematik diskutiert, hört man ab und zu, im Tiefbau sei die Situation etwas besser als im Hochbau. Wie beurteilen Sie das?
Ich halte den Margendruck in beiden Bereichen für äquivalent. Im Tiefbau ist die Art des Kundenkontakts und die Art, wie man an Auftrage kommt, eine ganz andere. Das öffentliche Beschaffungswesen steht heute eigentlich permanent im Fokus. Das führt zu spürbaren Verunsicherungen auf allen Seiten.
Zurück zum Problem mit der Marge.
Das Problem ist selbstverständlich eine Folge der Konkurrenzsituation. Bei einem durchschnittlich grossen Auftrag im Wert von einer halben bis einer ganzen Million Franken offerieren heute bis zu 20 Mitbewerber. Und entschieden wird letztlich anhand des einzigen objektiven Kriteriums: des Preises.
Welche Lösungsansätze sehen Sie?
Es ist offensichtlich, dass es zu viele Anbieter gibt. Eine Chance sähe ich zudem darin, dass ein grosser Anbieter eine Leaderrolle übernehmen konnte. Im französischen Tiefbau ist das zu beobachten. In der Schweiz sind wir allerdings weit entfernt von einer solchen Situation. Der grösste Schweizer Player im Tiefbau verfugt über knapp fünf Prozent Marktanteil.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Firmen Preise offerieren, mit denen sie ihre Kosten langfristig nicht decken können. Haben Sie dafür Verständnis?
Hier gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Hoch- und Tiefbau. Im Tiefbau für die öffentliche Hand ist es in schatzungsweise 95 Prozent der Fälle so, dass es keine Abgebotsrunden gibt. Der einmal offerierte Preis zahlt. Aufgrund dessen wird selektioniert, derweil man im Hochbau oft noch ein wenig diskutieren und das Angebot verbessern kann. Selbstverständlich kalkuliere ich mit Marge. Doch irgendwann brauche ich einen Auftrag. Je nach Auslastung kann es vorkommen, dass ich an die Grenze gehe, wenn ich das Gefühl habe, es handle sich um «e gueti Büez», die ich unbedingt machen will.
Wann ist eine Arbeit trotz fast oder ganz inexistenter Marge noch immer «e gueti Büez»?
Wenn ich durch sie freie Kapazitäten auslasten kann.
Im Klartext: Im Extremfall sind Sie zufrieden, wenn Sie auf Null rauskommen?
Es ist mir absolut klar, dass das langfristig nicht so weitergehen kann. Aber im Moment gibt es tatsachlich Auftrage, bei denen ich zufrieden bin, wenn am Schluss eine schwarze Null resultiert.
Es gibt Unternehmen, die definieren für sich selbst eine Margenuntergrenze. Wird diese unterschritten, nehmen sie den Auftrag nicht an. Weshalb tun Sie das nicht?
Das ist im Moment unmöglich. Tate ich es, hatte ich in einem halben Jahr wohl keine Auftrage mehr.
Gehen Sie auch mal unter die Selbstkosten?
Diese Schwelle will ich nicht überschreiten. Ich bringe kein Geld für einen Auftrag. Aber: Bei jedem Projekt kann Unvorhersehbares auftreten. Und wenn bei einem Auftrag mit nahezu keiner Marge etwas passiert, ist schnell einmal mehr als die erhoffte Marge dahin. Deshalb kann ich leider nicht ausschliessen, für einen Auftrag nicht auch schon Geld draufgelegt zu haben.
Nagt das am Selbstverständnis eines Unternehmers?
Es nagt auf alle Fälle am Selbstbewusstsein.
Ist die Marktsituation für Ihr Unternehmen existenzgefährdend?
Wenn meine zehn Gruppen gleichzeitig zehn Projekte realisieren, hat es darunter auch gute. Entsprechend muss man den Fokus auch nicht ständig auf die schlechtesten Projekte richten. Bei uns ist es noch nicht so kritisch, dass ich jetzt ausrechnen musste, wie lange wir noch durchhalten. Wenn allerdings die Margen noch weiter sinken, muss man sich früher oder später fragen, ob es sich überhaupt noch lohnt, zu arbeiten.
Im Tiefbau vernimmt man häufig Klagen bezüglich der Grösse von ausgeschriebenen Losen. Wie beurteilen Sie die Situation?
Je nach Perspektive haben grosse Lose auch Vorteile. Da darf man sich nichts vormachen. Als Bürger dieses Landes begrüsse ich es sehr, dass haushalterisch mit dem Steuergeld umgegangen wird, indem kleinere Teilprojekte zu grossen zusammengefasst werden. Deshalb kann ich mich darüber nicht aufregen.
Sehen Sie noch weitere Vorteile in grossen Losen?
Grosse Lose fuhren dazu, dass es ein paar dynamische, grosse Unternehmen braucht. Für uns kleinere und mittlere Unternehmen sehe ich die Möglichkeit, vermehrt als Subunternehmer oder Zulieferer tätig zu sein. Vor der Übergabe der Zuständigkeit an das Astra hat man mit der Giesskanne Subventionen über allen Kantonen verteilt. Entsprechend konnte man es sich erlauben, kleine Lose zu machen. Diese Politik hat entscheidend zu jener Marktstruktur geführt, unter der wir heute leiden.
In einem Gespräch, das wir vor einigen Wochen mit CS-Chefökonom Martin Neff führten, prognostizierte dieser: Ein Umdenken werde dann stattfinden, wenn der Kunde realisiere, dass er für den offerierten Preis keine gute Qualität mehr geliefert bekomme. Was halten Sie davon?
Der Ansatz ist realistisch: Aufgrund des enormen Margendrucks verarbeiten wir heute tatsachlich nicht mehr die höchste Materialqualität.
Weiss das der Bauherr?
Da bin ich mir nicht sicher. Oft mochte der Kunde höchste Qualität. Ebenso oft schreibt er aber aus ökonomischen Gründen nicht die höchste Qualität aus. Mittlerweile haben die Bauherren aber auch gemerkt, dass es schwierig ist, nur über den Preis zu selektieren. Und so unternimmt man Versuche, anderweitige, ergänzende Kriterien einzuführen. Allerdings fuhrt das wieder zu neuen Problemen. Sobald man nicht mehr nach glasklaren und messbaren Kriterien selektiert, Haufen sich die Einsprachen durch Unternehmen, die sich benachteiligt fühlen.
Wird aufgrund von weichen Faktoren eher pro forma rekurriert?
Ich kenne die genaue Statistik nicht, gehe allerdings davon aus, dass die meisten Einsprachen in diesem Bereich abgewiesen werden. Klar ist: Ein solches Vorgehen fuhrt bisweilen zu massiven Verzögerungen.
Wenn die Marge klein ist, muss die Effizienz gesteigert werden. Abstriche beim Material haben wir bereits diskutiert. Welche weiteren Punkte können Sie anführen?
Für mich liegt das grösste Potenzial im Projektablauf. Der Weg zwischen Bauherrschaft und uns als oftmals letztem Glied in der Kette muss und kann optimiert werden. Es gibt nach wie vor zu viele Ansprechpersonen. Die Folge davon sind zu lange Entscheidungswege. Da gibt es Verbesserungspotenzial.
Zu einem ganz anderen Potenzial: Wie beurteilen Sie den Zustand der Schweizer Strassen und Leitungen?
Beim Strassenzustand gibt es grosse kantonale Unterschiede. Und es ist jeweils schwierig zu sagen, ob das mit der jeweiligen Strassen- oder Finanzpolitik zusammenhangt. Wobei natürlich auch die Anforderungen unterschiedlich sind. Eine Strasse, die jemand für unbefahrbar halt, reicht für eine andere Person noch lange aus. Auch Experten sind da nicht immer gleicher Meinung. Klar ist: Für Strassenbauer ist genügend Potenzial vorhanden.
Und unter den Strassen?
Das Leitungsnetz kann man mit einer Zeitbombe vergleichen. Wohl gehe ich davon aus, dass Wasser- und Elektroleitungen in einem verhältnismässig guten Zustand sind. Was jedoch niemand so recht weiss, ist, wie wir mit der Abwasserproblematik umgehen sollen. Da ist ein regelmassiges Auftragspotenzial für uns Unternehmer vorhanden.
Bei Leitungen wird oft erst gehandelt, wenn ein Schaden vorliegt. Nach Murphy’s Gesetz auch immer wieder, nachdem kurz davor die darüber laufende Strasse saniert wurde. Weitsicht scheint selten vorhanden zu sein.
Entsprechende Bestrebungen sind sicher vorhanden. Jedoch ist es interessant, wie im Namen der Effizienz gewisse Schritte vollzogen wurden, die solchen Überlegungen eigentlich entgegenlaufen. Früher waren die Werke gemeindeeigen. Dann kam die Idee, die Werke zur Effizienzsteigerung auszulagern und in Aktiengesellschaften umzuformen. Das führt nun zu den kritisierten Koordinationsschwierigkeiten.
Im Strassenbau – prominent vor ein paar Wochen bei der zweiten Gotthard-Röhre – wird da und dort über PPP diskutiert. Was halten Sie davon?
Der theoretische Ansatz ist gut. Ob er in der Praxis funktioniert, da bin ich mir nicht sicher. Nach heutiger Kompetenzverteilung geben wir dem Staat den Auftrag, sich um den Bau und den Unterhalt der Infrastruktur zu kümmern. Wenn nun Projekte anstehen, welche der Staat – und als Steuerzahler sind wir alle der Staat – nicht finanzieren kann oder will, sollte man dafür nicht ein paralleles PPP-System aufbauen. Durch die Koexistenz beider Systeme befürchte ich insgesamt eine Zunahme der Ineffizienz. Und ganz dagegen bin ich, wenn PPP zu einem Vehikel werden soll, mittels welchem man politische Entscheide zu umgehen versucht.
Sie sind als Vizepräsident im Vorstand des Fachverbands Infra tätig. Weshalb dieses Engagement?
Ich bin einer derjenigen, der noch aus den alten Fachverbanden stammt. Ich war schon im Vorstand der Vestra. Irgendwann gelangte ich in den Ausbildungsbereich, unterrichtete in Sursee. Solche Tätigkeiten haben mich interessiert. Und so hatte ich das Gefühl, auch beim Fachverband Infra konnte ich etwas bewegen.
Typischerweise sind Branchenverbände sehr heterogen zusammengesetzt. Wie funktioniert eine Verbandsarbeit, die den unterschiedlichen Ansprüchen der Mitglieder gerecht wird?
Möglicherweise überschätzen Sie die Unterschiedlichkeit der Anspruche. Ein primäres Anliegen des Fachverbands Infra sind die politischen Rahmenbedingungen. Da durften die Anspruche ähnlich sein. Eher Differenzen mag es geben, wenn es um Lohnfragen beziehungsweise den Landesmantelvertrag geht. Allerdings sehe ich weniger innerhalb des Fachverbands Infra Differenzen, als eher zwischen den Hoch- und Tiefbauern.
Ebenfalls Einsitz nehmen Sie im Stiftungsrat des Campus Sursee.
Dieses Engagement rührt hauptsachlich von jenem beim Fachverband Infra her. Der Verband fuhrt die Berufsfachschule für Verkehrswegebau. Als solches ist er einer der grossen Kunden des Campus Sursee. Durch meinen Einsitz im Stiftungsrat sind die Verbindungen zwischen Verband und Campus Sursee sichergestellt.
Wie beurteilen Sie den Nachwuchs an Baufachkräften?
Ich wurde den Begriff «Durchschnit» verwenden. Wir heben uns nicht durch extrem gute Leute ab. Erfreulicherweise verzeichnen wir wieder regeren Zugang zu Hoch- und Fachhochschulen. Da kommen gute Leute nach. Weil wir in den letzten 20 Jahren jedoch gesündigt haben, besteht heute noch eine Lücke.
Haben Sie Mühe, wenn Sie heute eine Vakanz zu besetzen haben?
Auf der gewerblichen Stufe haben wir keine Muhe, Leute zu finden. Ob diese Leute zu uns und ins Anforderungsprofi l passen, ist eine andere Frage. Auf Stufe Kader haben wir allerdings durchgehend grosse Muhe.
Was für eine Art Chef möchten Sie sein?
Einer, der seinen Mitarbeitenden die Möglichkeit gibt, sich zu entfalten. Ich glaube, das gelingt mir gut. Ob die gebotenen Möglichkeiten allerdings genutzt werden, ist ganz unterschiedlich. Ich bin ein kooperativer Typ. Sicher kein Patriarch.
Bei inhabergeführten Unternehmen ist die Nachfolgeregelung häufig ein Problem. Bereitet Ihnen das Kopfschmerzen?
Nein. Aber es ist etwas, das ich in den nächsten zehn Jahren geregelt haben muss. Ist es in den nächsten fünf Jahren erledigt, umso besser. Ich spüre, dass man in einem gewissen Alter den Zenit der Leistungsfähigkeit erreicht. Dennoch gibt es immer wieder Beispiele von Chefs, die nicht loslassen können.
Zu denen zählen Sie sich nicht?
Ich hoffe, mich nicht dazu zählen zu müssen. Ansonsten wäre ich froh, Sie wurden in zehn Jahren wieder vorbeikommen, um mich an das hier Gesagte zu erinnern.
Das Imperiali Bauunternehmen existiert seit bald 140 Jahren. Sie führen das Unternehmen in 4. Generation. Spürt man einen besonderen historischen Druck, wenn man als aktueller Imperiali an der Spitze des Unternehmens steht?
Um ehrlich zu sein: Ich spürte damals einen Druck, die Firma zu übernehmen. Es entsprach damals nicht meinem Wunsch. Heute spüre ich keinen Druck mehr. Entsprechend fühle ich mich auch nicht verpflichtet, mit Nachdruck dafür zu sorgen, dass die Tradition aufrechterhalten bleibt. Bisweilen habe ich sogar eher das Gefühl, die Nachfolge unabhängig von meinen Kindern regeln zu wollen. Und sollten sie dennoch eine Karriere in der Bauwelt anstreben, stünden ihnen auch genügend Möglichkeiten offen, ohne von mir ein Unternehmen übernommen zu haben.