Die Schale von Urgestein Hans Schläppi, Geschäftsführer der Peri AG, ist nach bald vier Jahrzehnten in der Branche unversehrt. Kondensat eines unendlichen Gesprächs mit einem charismatischen Raubein. (die baustellen Nr. 11/2010)
«die baustellen»: Als passionierter Jäger gehen Sie auf die Pirsch, lauern, warten auf die richtige Gelegenheit und schlagen dann zu. Inwiefern unterscheidet sich die Jagd von der Arbeit eines Geschäftsführers?
Hans Schläppi: Wenn ich auf der Jagd bin, gibt mir das auch die Gelegenheit, Gedanken zu ordnen. Es ist oft vorgekommen, dass sich mir ein Problem stellte, das ich auf Anhieb nicht lösen konnte. Dann nahm ich einen Bleistift und ein Blatt Papier und zog mich auf den Hochsitz zurück. Und plötzlich sprang der Funke.
Ansonsten ist die Aufgabe eines Geschäftsführers eine andere, als jene des Jägers. In unserem Business muss er zu allererst über ein sehr hohes Potenzial an Fachwissen verfügen, bis hinein in die Spezialgebiete. Dann braucht ein Geschäftsführer natürlich Leute, mit denen er auf Unternehmensziele hinarbeiten kann. Will sich ein Mensch über sein eigenes Energie-Potenzial hinaus betätigen, braucht er Menschen, die ihm dabei helfen.
Haben Sie eine Führungphilosophie?
Ich habe bald vier Jahrzehnten als Geschäftsführer hinter mir. Und gerade erst fragte mich die Geschäftsleitung unseres Stammhauses in Weissenhorn, wie ich das anstelle, während einer so langen Zeit mit fast denselben Leuten immer wieder derart gute Ergebnisse zu erzielen. Ich antwortete: Wäre ich ein Erbsenzähler, der nichts als Zahlen im «Grind» hat, wäre das nicht möglich gewesen. Ich glaube, der Schlüssel zum Erfolg sind die vier M: Man muss Menschen mögen.
Wie präsentierte sich die Schalungsbranche, als Sie begannen?
Sie steckte in den Kinderschuhen. Geschalt wurde damals mit ganz einfachen Mitteln. Aber man begann auch schon weiter zu denken. In Zimmereien fertigte man erste Schalungselemente. Es war der Versuch einer Rationalisierung, die zu diesem Zeitpunkt beim Beton und bei den Eisen nicht möglich war. Die Rationalisierung ist aber nicht so geglückt, wie sie in späteren Jahren dank innovativer Mithilfe von Peri glückte. Es kamen Systeme, etwa die Trio-Schalung, von welcher Peri bis heute noch monatlich 36‘000 Quadratmeter produziert. Kletterschalungen und noch viele weitere Spezialisierungen folgten.
Wie würden Sie den Rationalisierungseffekt beziffern?
Ich würde sagen, dass man die Schalungsfläche, für welche man damals eine Stunde brauchte, heute in 0,2 Stunden schafft.
Sie waren der erste, der Schalungen vermietete.
Ja, das war eine Kletterfahrschalung, welche von Peri erstmals beim Bau des Kernkraftwerks Gösgen zur Anwendung gebracht wurde. Als wir den Zuschlag für den Auftrag erhielten, dachten viele, der Schläppi würde es in der Branche nicht allzu lange machen. Was sie alle aber nicht merkten, war, dass ich die ganze Schalung vermietete. Dann kam Leibstadt und ich verkaufte die Schalung dort. Es gibt eben verschiedene Wege zum Glück.
Schalung ist, sowie etwa auch Gerüstbau, ein Gebiet, über welches gesagt wird, es werde in der Praxis und nicht in der Schule gelehrt. Weshalb ist das so?
Es wird in den Schulen zwar behandelt, aber nur nebenher. Die Materie wird unterschätzt. Aber in der Realität fehlt vielen auch die Motivation, sich ernsthaft mit Schalungen auseinander zu setzten. Vielleicht, weil es nach Vollendung eines Projekts einfach niemanden mehr interessiert, wer die Schalung gemacht hat. Sie ist dann halt nicht mehr sichtbar.
Diese Erfahrung haben Sie auf der Suche geeigneten Ingenieuren gemacht?
Sie sagen häufig, die Schalungsarbeit sei zu sehr Spezialistentum. Sie glauben, sie würden Tag für Tag ähnliche Schalungspläne zeichnen und in triste Routine verfallen. Dass es aber eine Aufgabe ist, bei der man jeden Tag etwas Neues lernen kann, merken die Leute eben erst, wenn sie bereits bei uns arbeiten. Ein Ingenieur, der bei uns beginnt, geht aber in der Regel nicht mehr weg, weil es ein interessanter Bereich ist und man von der Kundschaft für sein Fachwissen geschätzt wird.
Sie haben Jahrzehnte der Schalungsgeschichte miterlebt. Wie schätzen Sie die Schalungszukunft ein?
Schalungen werden sich in 20 Jahren nicht massiv von den heutigen unterscheiden. Eine Entwicklung, wie wir sie in den letzten 30 Jahren vorantreiben konnten, wird nicht mehr möglich sein. Aber es gibt immer Optimierungspotenzial. Das wollen wir nutzen.
Wie gross ist der Druck, günstigere Produkte zu liefern, mit denen es sich zudem noch effizienter arbeiten lässt?
In der Fabrikation ist es natürlich so, dass alles immer noch günstiger sein sollte. Aber irgendwann stösst man an Grenzen.
Wie gehen Sie damit um?
Da muss man einfach bestehen können. Und man muss dem Preisdruck mit Wissen und Qualität entgegentreten. Es reicht nicht, dem Baumeister zu sagen, es handle sich um ein PERI-System. Wir müssen ihm plausibel erklären können, weshalb es für ihn von Vorteil ist, dieses System zu verwenden. Und der Kunde ist anspruchsvoll. Er will jedes Detail wissen.
Wie präsentiert sich die Konkurrenzsituation?
Wir haben einen sehr starken Konkurrent und dann haben wir einen ganzen Haufen kleinerer Konkurrenten. Jene Unternehmen, die selbst produzieren, sind allesamt okay. Was uns Sorgen macht, sind jene Firmen, die alten Schrott zusammenkaufen, ihn aufmotzen und für teures Geld wieder auf dem Markt schleudern. So wird der Kunde beschissen.
Wie ist denn der Ton unter den Mitbewerbern?
Wir sind alles sehr nette Leute, wir tun einander nicht weh. Wir gehen anständig miteinander um, zumindest solange wir uns in die Augen schauen (lacht laut). Aber ich bin in der glücklichen Lage, mit einem Produkt arbeiten zu können, das es nicht notwendig macht, die Konkurrenz schlecht zu reden. Ich war, bevor ich Aussendienst-Leute einzustellen begann, in der Geschichte von PERI der einzige, der einen Umsatz von 10 Millionen Franken schaffte. Das erreichte ich nicht, weil ich versiert darin war, die Konkurrenz schlecht zu machen. Übrigens bin ich auch heute noch im Aussendienst tätig, wenn auch begrenzt.
Die grossen Projekte laufen also über ihren Schreibtisch?
Alles läuft über meinen Tisch. Es gibt keine Offerte, die ich nicht persönlich unterschreibe. Nichts verlässt meinen Betrieb, ohne dass ich es gesehen hätte. Auch Mahnungen unterschreibe ich selbst.
Damit die Säumigen bei direkt bei Ihnen jammern?
Ja. Und weil ich dem Aussendienst dadurch den Rücken freihalte. Aber jeder, der seine Rechnungen nicht bezahlt, weiss haargenau, dass er einen Blödsinn macht. Er weiss, dass wir einen gültigen Vertrag haben und ich meinen Teil einwandfrei erfüllte. Entsprechend kann ich erwarten, dass mein Vertragspartner das auch macht. Macht er es nicht, fordere ich ihn unmissverständlich dazu auf. Und ich mahne nicht dreimal. Letztlich ist ein Kunde, der nicht bezahlt, ein schlechter Kunde. Solche brauche ich nicht.
Was tun Sie, damit es gar nicht erst soweit kommt?
Jeder Kunde wird geröntgt. Wenn ich auf der Bank einen Kredit beantrage, muss ich auch die Hose runter lassen. Weshalb also soll ich einem Kunden eine Schalung für 400‘000 Franken liefern, den ich gar nicht kenne? Kunden werden bei uns seriös abgecheckt. Und zwar immer wieder.
Wie machen Sie das?
Es gibt Betreibungsämter. Und es gibt Kreditreformen. Innerhalb der PERI-Gruppe sind wir das Geschäft, welches die geringsten Debitorenverluste ausweisen muss. Sie sehen, es gibt keinen Bereich, in welchem wir in dieser grossen Unternehmensgruppe nicht führend wären. Ich bin sehr stolz, das so feststellen zu dürfen.
Wie viel Patriarch steckt in Ihnen?
Kein Stück. Ich bin absolut kein Patriarch. Das war ich nie. Ich halte übrigens auch nichts von Patriarchen. Von Patrons jedoch sehr viel.
Welche Unterschiede sehen Sie?
Der Patriarch ist ein sehr rechthaberischer Mensch, der das Gefühl hat, er sei der Grösste, der einzige, der alles kann und alle anderen seien seine Untergebenen. Ich bin jedoch ein Patron. Ich weiss genau, auch ich mache Fehler. Unter mir habe ich gar niemand – ausser früher die Freundin und Frau (Schläppi schüttelt und biegt sich vor Lachen, wir uns auch) – alles andere sind meine Mitarbeiter.
Müssen Sie gegenüber dem PERI-Konzern strenge Richtlinien einhalten?
Der Konzern ist sehr offen. Denn dem Schläppi Regelungen aufzudrücken, das hätte nie funktioniert. Der Unternehmensgründer, Artur Schwörer, hat stets zu mir gesagt: «Wissen Sie, Herr Schläppi, Persönlichkeiten wie Sie muss man an der ganz langen Leine führen.»
Weiss das die junge Geschäftsleitung auch, die nach Schwörer im Konzern das Ruder übernahm?
Das sind gute Leute, die wissen das. Kommt dazu, dass wir die Vorzeigetochter des Konzerns sind. Es hat niemand ein Interesse daran, an dieser Vorzeigetochter zu schrauben.
Sind es Fachleute, wie Artur Schwörer es als Ingenieur war, oder sind es Betriebswirtschaftler, die den Konzern heute führen?
Es sind Betriebswirtschaftler. Wobei Christian Schwörer, der Sohn des Gründers, ausgebildeter Ingenieur ist und später ein betriebswirtschaftliches Studium gemacht hat.
Dieses Phänomen ist omnipräsent: Es gibt selten einen Baumeister, dessen Sohn zum Zeitpunkt, wenn er den Betrieb übernimmt, auch Baumeister ist. Er muss dann auch ein akademisches Studium gemacht haben. Weshalb, weiss ich nicht. Auch innerhalb von Betrieben ist man oft so dumm und befördert die besten Leute zur Unfähigkeit. Geborene Poliere, Baumanager par excellence, werden zu Bauführern befördert und komplett überfordert. Offenbar werden die Leute in den Berufen, in denen sie eigentlich gut wären, nicht angemessen entlöhnt. Sie lassen sich deshalb befördern und bekommen in der neuen Position mehr Geld, das sie aufgrund ihrer schlechten Leistung aber gar nicht verdienen. In ihrer früheren Position, dort, wo sie brillant waren, hätten sie es viel eher verdient. Das läuft bei mir anders.
Sie haben ein revolutionäres Lohnsystem in Ihrem Betrieb?
Absolut. Bei mir kann ein Instruktor, der hervorragende Arbeit leistet, genau so viel oder sogar noch mehr verdienen als ein Ingenieur. Auch ein Zimmermann verdient bei mir eine rechte Gage, wenn er gut ist. Für den Lohn ist bei mir die Leistung ausschlaggebend, nicht die Position.
Sie beurteilen also die individuelle Leistung jedes Mitarbeiters. Das ist nur bis zu einer bestimmten Unternehmensgrösse machbar.
Da widerspreche ich. Es wird in grösseren Unternehmen nicht gemacht, weil die Konzernherren zu bequem sind und vor allem, weil sie ihren Abteilungsleitern nicht vertrauen, die solche Beurteilungen vorzunehmen hätten.
Sie haben mehrfach erwähnt, dass Sie sich von der Pike auf hochgearbeitet haben. Wie haben Sie sich das unternehmerische Wissen angeeignet?
Das habe ich mir sehr jung anzueignen begonnen. Den ersten Handel, den ich gemacht habe, war mit Schafen, da war ich 14 Jahre alt. Später habe ich natürlich diverse Ausbildungen gemacht und Kurse besucht. Ich sagte mir stets, man habe nie ausgelernt. Bei mir war es aber nicht so, dass ich für den Erwerb dieses Wissens hätte vier Jahre lang eine Hochschule besuchen müssen. Oder können. Ich habe mich, seit ich 16 Jahre alt war, selbständig durchs Leben gebracht. Ein derart langer Unterbruch für einen Hochschulabschluss wäre gar nicht möglich gewesen. Zudem macht eine Hochschulausbildung noch keinen Unternehmer. Aber ein geborener Unternehmer, der zudem einen Hochschulabschluss hat, ist natürlich eine fulminante Kombination.
Ein Votum gegen die Akademisierung?
Nicht allgemein. Aber ich habe das Gefühl, wir ersticken langsam an unserer heutigen Betriebswirtschafterei. Da geht derart viel Geld kaputt, da wird so viel Geld verschwendet für Statistiken, für Controlling, das für die Katz ist. Da werden massenhaft junge Studienabgänger eingestellt, die dann erfahrenen Geschäftsführern sagen, wie sie zu verkaufen haben.
Hat man Ihnen auch schon solche Leute geschickt?
Ja, aber nur einmal. Danach sind sie nicht mehr gekommen. Ich weiss wohl, dass sie ja gar nichts für ihre Unerfahrenheit können. Deshalb habe ich verschiedentlich auch die Klinge mit Professoren gekreuzt und gemerkt, dass es da sehr unterschiedliche Auffassungen zur Thematik gibt. Einer war eher selbstverliebt und anerkennt nur eine einzige Variante von Betriebswirtschaft. Einem anderen hat man mein Organigramm vorgelegt, worauf er sich brennend dafür interessierte, was ich studiert habe. Weil er meine Strukturen als modernste Betriebswirtschaft betrachtete, welche darauf abzielt, Allrounder zu schaffen, die stets auch eine andere Funktion übernehmen können, wenn jemand ausfällt.
Vom Ausfall zum Abgang: Wann treten Sie denn ab?
Wenn es mir verleidet. Aber im Ernst: Auch Schläppis Zeit läuft einmal ab. Wann, das ist mein Geheimnis. Ich will nicht, dass die Konkurrenz allzu früh ist Festlaune verfällt.
Wie reagieren die Kunden darauf, dass Schalungs-Urgestein Schläppi nun nicht mehr immer selbst auf der Matte steht, sondern seine Kontakte sukzessive an den Aussendienst und irgendwann an einen Nachfolger weitergibt?
Die Kunden sagen mir schon, wann ich persönlich aufzukreuzen habe und wann ich einen Aussendienstler schicken kann. Einmal im Jahr muss ich bei den meisten persönlich antraben. Und das mache ich auch. Mit den Kunden spreche ich aber auch über meine Nachfolge. Ich sage ihnen, dass Schläppi nicht immer da sein wird und bitte Sie, meinen Nachfolgern auch das Vertrauen zu schenken.
Wer ist für Sie ein adäquater Nachfolger?
Ich werde nicht den Fehler machen und einen Betriebswirtschaftler als Nachfolger einstellen, der von Schalungen nichts versteht. Mein Nachfolger wird wieder ein Praktiker sein mit den entsprechenden Weiterbildungen.
Sie haben angedeutet, dass solche Leute schwierig zu finden sind.
Auf dem Markt schon. Aber ich bilde sie selbst aus. Entsprechend habe ich einen Nachfolger aus dem Betrieb im Visier. Mehr zum Thema ist allerdings noch nicht spruchreif.
Sie realisieren seit Jahrzehnten Spitzenergebnisse innerhalb des Konzerns. Wie kommt es, dass Ihr Unternehmen mit heute rund 40 Mitarbeitern über die Jahre nicht viel grösser geworden ist?
Ich habe mich des Öfteren bewusst in Selbstbeschränkung geübt. Meine Firma soll nicht über ihre Grösse definiert werden, sondern über die Qualität, die sie zu liefern imstande ist. Das Zu-Gross-Werden ist übrigens eines der Risiken der Zukunft. Ich bin überzeugt, dass künftig eher wieder kleinere Unternehmungen das grösste Potenzial haben. Schon vor 30, 40 Jahren bezahlten kleine und mittlere Unternehmen 80 Prozent der gesamten Steuergelder. Grosskonzerne haben der Volkswirtschaft dagegen nie viel gedient. Sie haben wohl Arbeitsplätze geschaffen für Menschen, die Steuern bezahlen. Aber die Grosskonzerne selbst? Ich glaube, dieser Wunsch nach Grösse und Repräsentanz ist ein ideologisches Überbleibsel aus dem Mittelalter. Deshalb müssen wir unsere Qualität auch nicht an sinnlosen Prestigeobjekten demonstrieren. Ich meine, wenn ein Prestigeobjekt fertig gebaut ist, fragt doch kein Mensch mehr danach, wer die Schalung geliefert hat.
In Dubai auch nicht?
Damit habe ich nichts zu tun. Ich will dies auch nicht beurteilen. Nur so viel: aus unserem Interview geht deutlich hervor, dass ich nicht viel von Prestigeobjekten halte. Aber ich bin auch kein König und kein Kaiser. Wäre ich es, hätte ich mit dem Geld, das in Dubai investiert wird, wohl die Wüste urbar gemacht und mir so für mich und mein Volk Nahrung und Existenz für alle Zeiten gesichert.