Die Nase im Wind

Jutta Faller, 29, Lacklaborantin, tüftelt in der Entwicklungsabteilung der Greutol AG an neuen Nassprodukten und dabei hauptsächlich an neuen Farben. Mit ihrer Lieblingsfarbe würde sie nicht ihre Wohnung streichen. (die baustellen Nr. 06/2010)

Ich entwickle Produkte. Ganz neue, oder ich entwickle bewahrte Produkte weiter, wenn sich neue Anforderungen stellen. Es ist ein Glück, dass ich bei einer verhältnismässig kleinen Firma arbeite. So bin ich für die gesamten Ablaufe einer Entwicklung zuständig. Das beginnt bei den Rohstoffen: Ich kontaktiere die Handler, führe Gespräche mit ihnen, teste ihr Angebot und bleibe schliesslich an der Entwicklung dran, bis das fertige Produkt auf einer Baustelle eingesetzt wird. Ich bin von einem grossen Unternehmen zu Greutol gestossen. Früher hatte ich innerhalb der Entwicklungsabteilung mein exakt definiertes Aufgabengebiet, bekam für die Ausführung beispielsweise eine Farbe zugeteilt und hatte mich eigentlich für alles, was vor oder nach mir geschah, nicht zu interessieren. Die persönliche Erfüllung, die man erfahrt, wenn man eine Entwicklung von A bis Z begleitet hat, ist viel grosser.

Höhepunkt 3-Tonnen-Mischer
Es gehört zu meinem Job, die Nase in den Wind zu halten. Was konnte gefragt sein? Wohin geht der Weg? Nicht heute, morgen. Natürlich wird eine grundlegende Stossrichtung für die Entwicklung von der Geschäftsleitung vorgegeben. Aber es kommt ebenso vor, dass ich ein Gefühl habe, etwas gerne ausprobieren mochte und dann loslegen kann. Derzeit strebt vieles in Richtung Öko. Und so habe ich aus eigenem Antrieb eine Silikatfarbe für den Innenraum entwickelt, die praktisch frei ist von Stoffen, auf welche Allergiker reagieren konnten. Natur pur sozusagen. Die Farbe ist mittlerweile gut im Markt eingeführt. Allgemein liebe ich den Transfer vom Labor in die Praxis. Der Moment, in welchem eine Entwicklung erstmals nicht mehr im Zweiliter-Labor-Becher angerührt wird, ist toll. Wenn es plötzlich 300 Kilogramm sind, dann eine Tonne und erst recht, wenn das Produkt schliesslich im 3-Tonnen-Mischer entsteht. Dann heisst es Geduld zu haben: Denn in meinem Beruf ist man zwar schnell kurz vor dem Ziel. Aber nun beginnt erst der wirklich aufwändige und interessante Teil. Nämlich die Feinabstimmung, auch zusammen mit den ersten Praxisleuten in einem zunächst kleinen Testmarkt. Wirklich stolz macht mich als Entwicklerin, wenn ich an einer echten Innovation mitarbeiten kann. Normalerweise sind es ja eher kleinere Fortschritte, die erzielt werden. Aber mit dem biozidfreien Fassadendammsystem Aqua PuraVision, für welches ich die Farbe entwickelte, ist uns nun wirklich ein Wurf gelungen.

Leuchtendes Gelb
Es wurde mir keinen Spass machen, wenn ich mich bei der Arbeit am meisten auf den Gehaltscheck Ende Monat freuen wurde. Ich will vielmehr einen Sinn sehen, brauche Spannung und ziehe dann im besten Fall auch persönliche Genugtuung daraus. Selbstverständlich fragen mich meine Familie, Freunde und Nachbarn um Rat, wenn sie bauen oder etwas streichen. Das finde ich okay – und so oft bauen die Leute aus meinem Umfeld nun auch wieder nicht, dass ich täglich mit solchen Fragen konfrontiert wäre. Selbst lebe ich in einer Mietwohnung, in welcher ich nichts selbst machen kann. So habe ich den Jedermann- Standardputz drin. Wenn ich aber renovieren oder bauen konnte, wurde ich meine eigene Farbe verwenden, denn ich hatte schon hohe Anspruche an das Material. Generell mag ich leuchtende Gelbtöne sehr. Mit solchen wurde ich meine Wohnung allerdings nie streichen. Dann schon eher in Pastell-Tonen. Ein Hellblau vielleicht.

Beat Matter

Beat Matter

Ich schreibe. Und ich fotografiere. Beides fliessend. Für Medien, Unternehmen, Stiftungen, Verbände, Vereine und Private.

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