Tobias Müller, 22, Maurer-Lehrling im 3. Lehrjahr, wird, wenn dieses Porträt erscheint, hoffentlich die Abschlussprüfung bestanden haben. Was danach kommt, ist noch unklar. Er überspringt aber sicher keine Stufen. (die baustellen Nr. 06/2009)
Ich hatte mir das eigentlich anders vorgestellt. Ich besuchte die Steiner-Schule. Sie fiel mir eigentlich leicht, noch heute brauche ich wenig zu machen, damit es in der Schule klappt. Vielleicht lag es daran, dass ich unterfordert war. Ich war zu wenig diszipliniert. Ich würde sagen, die Lehrer an der Steiner-Schule hatten mich nicht so im Griff, wie sie es gerne gehabt hätten. Nach elf Jahren meinten sie, es wäre für mich allenfalls besser, meinen Weg ausserhalb der Schule zu suchen. Meinem Klassenlehrer fiel es furchtbar schwer, mir das mitzuteilen. Er erzählte mir von seinem Sohn, der offenbar ein ähnliches Verhalten zeigte. Ihm habe ein Austauschjahr geholfen. Meine Mutter fand die Idee toll, und so verabschiedete ich mich für ein Jahr nach Bolivien.
Kopf schläft ein
Ich würde behaupten, ich kenne Bolivien heute besser als viele der dortigen Einwohner. Die Touristenattraktionen habe ich gesehen, die waren schön. Richtig wertvoll aber waren die Insider-Sachen, jene, die ich dadurch zu sehen bekam, dass ich mich schnell mit Leuten von dort anfreundete. Meine Gastfamilie war relativ reich und liberal. Irgendwann wollte mein Gastvater einen Anbau für sein Haus bauen lassen. Das war es eigentlich, was mir den Bau schmackhaft machte. Aber nicht den Bau in Südamerika. Ich meine, ich mag es in meiner Freizeit ja wirklich auch gemütlich. Aber beim Arbeitstempo der Südamerikaner schläft einem tatsächlich der Kopf ein. Kommt dazu, dass es eine extrem strikte Arbeitshierarchie gibt. Kein Architekt würde, wenn er eine Baustelle besucht, mit einem einfachen Bauarbeiter sprechen. Er notiert sich alles und teilt schliesslich dem Bauunternehmer mit, was er geändert haben will. So was müsste ich nicht haben. Ich zumindest habe überhaupt kein Problem damit, wenn mich ein Bauführer direkt auf der Baustelle anspricht, um allenfalls etwas zu verbessern.
Trotz Winter angefixt
Ich kam im Sommer 2005 von meinem Austauschjahr zurück und machte mich auf die Suche nach einer Lehrstelle. Ich schrieb Bewerbungen, aber es klappte nicht, war schon zu spät. Mein heutiger Lehrmeister meinte damals, er sei interessiert, habe aber erst ein Jahr später wieder einen Platz frei. Ich konnte dennoch eine Schnupperwoche bei ihm machen. Und es passte mir, obwohl es Winter war. In dem Jahr, bevor ich die Lehre anfing, arbeitete ich im Hallenstadion in der Utility-Crew. Die ist zuständig für die Infrastruktur und auch die entsprechenden Sonderwünsche der Stars. Dort arbeitete ich schon, seit ich 16-jährig bin. In jenem Jahr machte ich es jedoch intensiver und lernte dabei gleichzeitig, was es heisst, schnell zu arbeiten. Wenn es hiess, die Garderobe müsse gestrichen werden, hatte das sofort zu geschehen. Wenn drei neue Ledersofas gefragt waren, hatten die umgehend da zu sein. Eine Madonna will schliesslich nicht warten, bis ihre Garderobe fertig ist. Als ich mit meiner Maurer-Lehre begann, rannte ich die ersten drei Monate genauso umher, wie ich mir das vom Hallenstadion gewöhnt war. Irgendwann merkte ich, dass alle anderen ganz normal über die Baustelle laufen. Also passte ich mich an. Das war auch notwendig, denn in diesen ersten drei Monaten war ich jeweils abends fix und fertig. Weil ich die Berufsmatura mache, könnte ich nach der Lehre direkt an die Bauführerschule. Das mache ich allerdings nicht. Ich will den Vorarbeiter oder den Polier nicht überspringen. Ich will nämlich, wenn ich dann doch einmal Bauführer bin, wirklich Ahnung davon haben, wie man etwas umsetzt.