Bernhard Alpstäg ist ein Patron wie aus dem Bilderbuch. Der nach eigenen Angaben hemdsärmelige Führungsstil bekommt seiner Swisspor offensichtlich sehr gut. Ein Gespräch über fast alles. Fast ohne Blatt vor dem Mund. (die baustellen Nr.01/09)
«die baustellen»: Sie sollen vor rund einem Jahr gesagt haben, die Börse sei «Lölizeugs» und Manager seien «Abzocker, die nur auf die eigenen Vorteile schauen». Welche Worte finden Sie heute für die Finanzwelt?
Bernhard Alpstäg: Das sagte ich und jetzt sehen Sie, wie recht ich hatte. Aber das habe ich nicht nur vor einem Jahr, sondern schon immer gesagt. Dieses Abzocken, diese Manager-Löhne sind einfach nichts Gutes. Löhne von 20 oder 25 Millionen sind schlicht nicht gerecht gegenüber dem «Büezer», der Vier- oder Fünftausend Franken verdient. Es mangelt an jeglicher Verhältnismässigkeit. Ich bin Patron und die Unterscheidung zwischen einem Patron und einem Manager ist mir wichtig. Ein Patron schaut für eine längere Zeit für ein Unternehmen. Er hat andere Ideale als bloss die Gewinne vom einen zum anderen Jahr. Ich bin der Meinung, die Manager leben mit ihren Vorstellungen und ihren Löhnen in einer Welt, die wir gar nicht mehr verstehen. Deshalb empfehle ich denen allen, sie sollen wieder einmal in einer Fabrik arbeiten. Dann erfahren sie von den Problemen der «kleinen» Leute. Wenn man die kennt, führt man ganz anders.
Sie sprechen die Verhältnismässigkeit an. Wie kann man definieren, was gerechtfertigt ist und was nicht mehr?
Diese Verhältnismässigkeit muss definiert werden. Ich bin allerdings nicht der Allwissende, der sagen könnte, wie das zu geschehen hat. Aber ich weiss, dass der heutige Zustand mit den Vasellas und Ospels nicht mehr weiter bestehen kann. Wir müssen zur Realität zurückkehren. Wohlgemerkt, diese Vasellas und Ospels sollen gut verdienen. Aber ich bin überzeugt, die leben genauso gut mit drei, vier oder fünf Millionen.
Wie haben Sie diese Verhältnismässigkeit in Ihrer eigenen Firma definiert?
Ich lebe nicht für meinen Lohn, sondern ich beziehe so viel Lohn, dass es mir fürs Leben reicht und vor allem dafür, um die Steuern bezahlen zu können. Die sind bei mir erheblich, weil ich ein relativ grosses Vermögen ausweise. Das führt dazu, dass ich ein entsprechenden Salär beziehen muss. Privat bilde ich übrigens kein Vermögen. Das interessiert mich nicht. Mich interessiert das Wohl und die Substanz der Firma. Für sie lebe ich.
Ihr Vermögen ist demnach die Firma?
Richtig. Mein Vermögen ist die Firma.
Ein Börsengang Ihrer Firma stand nie zur Debatte?
Nein, das war für mich nie ein Thema. Das brauchen wir nicht. Ich lebe nicht nach Börsengang. Das interessiert mich nicht. Ich lebe nach anderen Werten. Ich brauche keine jungen Börsianer, die mir sagen, wie ich mein Geschäft zu führen habe.
Vor einiger Zeit sagten Sie, es rufe jede Woche ein Banker an, der Ihre Firma kaufen wolle.
Es kamen auch Equity-Fonds. Nun hat es aber nachgelassen. Jetzt rufen mich Leute an, die ihre Bude verkaufen wollen.
Sind weitere Zukäufe kein Thema für Sie?
Selbstverständlich kaufe ich zu. Aber ich kaufe nur das, was die Geldbörse zulässt. Ein einziges Mal musste ich bei einer Bank vorstellig werden und da habe ich mir geschworen, meine Schulden abzuzahlen und mich nie wieder von den Banken erpressen zu lassen. Wissen Sie, was der Effekt ist? Man schläft sehr gut.
Sie wachsen also nur aus der eigenen Tasche?
Ja. Und wenn das nicht geht, dann mache ich es nicht. Wenn ich doch einen Kuhfladen am Boden liegen sehe, dann muss ich ja nicht reintrampen.
Ihr Unternehmen beschäftigt sich mit der Dachhaut, mit Dämmstoffen und Fenstern. Welche Bereiche wären allenfalls noch interessant?
Wir haben zwei Dachvarianten: Flach- und Schrägdach. Bei den Flachdächern gehe ich davon aus, dass wir in den nächsten zehn Jahren mit der Produktion nicht nachkommen, weil jedes Flachdach in der Schweiz nachgedämmt werden muss. Bei den Schrägdächern rechne ich damit, dass in zehn Jahren 10 Prozent der Dachfläche aus Sonnenkollektoren besteht. Somit reduziert sich die Fläche für Eternit und Ziegel. Trotz Reduktion wäre das Ziegel-Geschäft etwas für mich. Dann hätte ich sozusagen ein Perpetuum Mobile. Dann kann der Kunde machen was und wie er will, er bestellt sowieso bei mir.
Steigen Sie also ins Fotovoltaik-Geschäft ein?
Ja. Ich habe der Eternit das «Go» gegeben, habe gesagt, sie müssen da einsteigen, weil sie sonst zehn Prozent verlieren. Die entsprechende Abteilung wird nun aufgebaut.
Sie haben sich offensichtlich auf Jahre hinaus mit künftigen Entwicklungen beschäftigt. Womit rechnen Sie denn kurzfristig, in den nächsten zwei bis drei Jahren?
Ich habe eine Aufstellung gemacht: General Motors -40 Prozent, Chrysler -31 Prozent, Ford -35 Prozent, die deutsche Automobilindustrie hustet stark. Wir machen das Gegenteil. Wir investieren.
Investieren Sie, weil ihrer Meinung nach die Märkte jetzt gewinnbringend sind oder investieren Sie prinzipiell antizyklisch?
Beides.
Sie werden also Ihr Ziel, die Umsatzmilliarde, erreichen, von welchem Sie vor Jahresfrist sagten, es solle innert vier Jahren geschehen?
Davon gehe ich aus. Das wird allerdings nicht nur durch eigenes Wachstum, sondern auch durch Zukäufe geschehen.
Sie sind seit mehr als 30 Jahren in gleichen Kerngeschäft tätig. War das Geschäftspotenzial mit Dämmstoffen je schon derart gross, wie im Zuge des heutigen, beinahe trendartigen ökologischen Bewusstseins?
Nein, es war nie so gross wie jetzt. Aber es geht in eine falsche Richtung. Als ich zu arbeiten begann, sagte man uns, wir seien verrückt, als wir ein Flachdach mit 40 Millimetern Dämmstärke versahen. Heute sind es bei Flachdächern zirka 120, 140 Millimeter bis hin zu 200 oder gar 300 Millimetern. Bei Fassaden sind es durchschnittlich 140 bis 150 Millimeter. Es ist doch eine Spinnerei, Aussenfassaden zu bauen, die nach und nach wie Schiess-Scharten aussehen. Deshalb müssen wir Dämmstoffe entwickeln, die gleichviel dämmen aber sehr viel dünner sind. Die Lösung dafür zu erarbeiten, ist die eine Innovation. Die andere läuft unter dem Motto «Zurück zur Natur». Ich studiere noch immer an der Heu-Isolation herum. Aber das Heu ist noch nicht soweit. Es muss genau die richtige Graszusammensetzung aufweisen. Und es wird eine giftige Sache, weil das Heu die Brandvorschriften nur einhalten kann, wenn man es mit Brom behandelt. Wir werden das Thema weiter voran treiben.
Sie betreiben eine eigene Forschungsabteilung?
Wir betreiben keine Grundlagenforschung. Aber wir haben eine Forschungsabteilung, die neue Dämmstoffe entwickeln soll. Das haben wir gemacht, bislang allerdings zu wenig intensiv. Da geht’s jetzt wieder richtig los. Ich will den Dämmstoff der Zukunft erzwingen.
Welche Varianten gibt es dafür noch, abgesehen von Heu?
Ich will einfach den Natur-Dämmstoff. Das könnte vielleicht auch Moos sein.
Weshalb diese Innovationslust, wo sich doch die bestehenden Produkte gut verkaufen?
Wir müssen innovativ sein und sollten uns die Pharma-Branche zum Vorbild nehmen. Die müssen stets neue Produkte oben in die Preissäule einfüllen. Irgendwann kommt immer einer, der das Produkt nachmacht, wodurch die Preise fallen. Und dann müssen neue Produkte nachgeschoben werden.
A propos Innovation: Ende des vergangenen Jahres wurde nach langem hin und her der Luzerner Sportarena zugestimmt. Kurz darauf wurde bekannt, das es sich dabei um die «Swisspor-Arena» handeln wird. Weshalb dieses Engagement?
Ich habe eine Tochter, die für den FCL spinnt. Und ich weiss, solange sie sich für den FCL begeistert und die Spiele besucht, «häschelet» sie wahrscheinlich nicht. Aber nicht nur sie, sondern Tausende andere auch nicht. Und so fragte ich mich, weshalb ich das nicht unterstützen soll. Aber selbstverständlich hilft mir das Engagement auch in geschäftlicher Hinsicht. Als ich beispielsweise in Wien kürzlich einen Kunden traf, sagte er mir als erstes: «Ihr habt gestern verloren.» So ist bereits eine Gesprächsbasis vorhanden. Ich unterstelle konsequent alle Produkte dem Markennamen Swisspor. Und selbstverständlich ist das neue Stadion sehr hilfreich, um den Namen bekannt zu machen.
Edgar Oehler hat sich in unserem Interview auch sehr positiv über sein Stadion-Engagement geäussert.
Bloss hat er einen Salat aus unterschiedlichen Markennamen angerichtet. Ich sagte dem Oehler, er habe einen Seich gemacht. Ich beschränke mich auf Swisspor.
Kennen Sie ihn gut?
Ich bin nicht per Du mit ihm. Ich habe ihn zwei, drei Mal gesehen und sagte ihm, ich würde nicht ihn sein wollen mit dem ganzen momentanen Börsenchaos.
In Osteuropa verzeichnen Sie starkes Wachstum. Wie ist dort der Stand der Dinge?
Wir haben Polen geregelt. Wir decken das Land mit vier Fabriken ab, sind Marktführer. In Rumänien haben wir eine Fabrik zugekauft, auch dort sind wir Marktführer. Drei Mal haben wir übrigens China beleuchtet, bis ich feststellte, die Chinesen brauchen den Alpstäg momentan nicht. Die können das ebenso gut selbst. Das nächste Ziel ist wahrscheinlich die Ukraine. Leider liegt in Sachen Rechtssicherheit in der Ukraine noch einiges im Argen.
Geht die Expansion in Osteuropa nach Ihrem Geschmack genügend schnell voran?
Selbstverständlich würde ich das gerne schneller vorantreiben. Ich könnte auf die Bank gehen und sagen, sie sollen mir so und so viel Geld geben. Dann hätte ich diesen Betrag frei für Investitionen im Osten. Aber wie schon gesagt: Ich lasse mich von keiner Bank mehr erpressen.
Mit der Ukraine wären es insgesamt sieben Länder. All das wird vom kleinen Steinhausen aus geleitet.
Irgendwann muss ich die «Division Ost» bilden. Bislang habe ich aber noch keinen gefunden, der fähig wäre, diese «Division Ost» richtig zu führen. Die Unterschiede der nationalen Kulturen im Osten sind nicht eben gering. Die entsprechende Führungsperson der «Division Ost» müsste also sicher jemand aus dem Osten sein, der die Leute und die Kulturen versteht.
Ein Grundsatz von Ihnen lautet: «Bescheiden bleiben und mehr arbeiten als die anderen.»
Ja, das habe ich gelernt. Und mit dem Alter wird man ja tendenziell wieder bescheidener. Und selbstverständlich arbeiten wir Schweizer mehr. Das merkt man im Ausland.
Das Motto wenden Sie natürlich auch auf Ihre Angestellten an. Wie reagieren die Mitarbeiter im Osten, wenn sie erfahren, dass sie mehr arbeiten sollen?
Im Ausland ist meine persönliche Präsenz natürlich nicht so gross wie hier. Dort sind meine Stadthalter tätig. Die haben allerdings die Aufgabe, das Motto durchzuziehen. Und das funktioniert auch.
Sind Sie eine Führungsperson, die stark kontrolliert?
Die Abteilungen, die gut rentieren, besuche und kontrolliere ich selten. Die haben ihre Freiheiten, dürfen machen, was sie wollen. Ich stehe auf der Matte, wenn etwas nicht rentiert. Dann müssen Erklärungen her.
Sind Sie viel unterwegs?
Ich bin ein bis eineinhalb Tage pro Woche hier im Büro am Hauptsitz. Dann vielleicht zwei Tage im Ausland und den Rest in der Schweiz unterwegs. Ich bin kein Büromensch. Die brauchen mich hier nicht. Und mittlerweile ist die Kommunikationstechnologie so gut, dass ich meine Sachen auch von ausserhalb erledigen kann.
Von Ihnen ist bekannt, dass Sie wenig von Management-Theorien halten.
Richtig. Dafür viel von Bauchentscheidungen.
Das Patrondasein wird oftmals als antiquiert abgestempelt. Für Sie dagegen ist der Patron nicht Vergangenheit, sondern ein Zukunftsmodell.
Genau. Die Börsenvögel kommen wieder auf den Boden, werden wieder normal. Der Führungsstil von Patrons, von echten Unternehmern, hat Zukunft.
Glauben Sie wirklich, dass die Ereignisse im vergangenen Herbst zu einem Umdenken führen?
Ich hoffe es sehr.
Sie haben erwähnt, Sie seien in Osteuropa viel weniger präsent. Ein Patron zeichnet sich aber doch durch ebendiese Präsenz aus. Wird das Unternehmen langsam zu gross für Ihren Führungsstil?
Ja, da haben Sie recht. Ab einer Umsatzmilliarde habe ich ein Problem. Dann muss ich mich anders organisieren. Entweder, ich muss mich zurückziehen und Junge nachziehen oder ich muss mich anders aufstellen. Meine Grenze ist bei einer Milliarde erreicht.
Sie haben bereits angekündigt, dass ab dann allenfalls der «Wasserkopf» aufgeblasen werden müsste. Es müssten Leute kommen.
Ja und die kosten natürlich. Jeder Manager braucht noch eine Sekretärin und und und. Meine Devise war es bisher, alles mit Low System zu machen. Bei der Eternit haben sie ein so genanntes SAP-System. Teuer. Ich habe drei Leute, die sich nur darum kümmern. Hier im Haus habe ich das günstigste System. Wenn ich eine Personalliste haben will, rufe ich, dann bekomme ich eine Personalliste. Wenn ich der Eternit sage, ich brauche eine Personalliste, dann fragen sie, ob ich die Aufstellung nach Alter, nach Wohnort, nach Hautfarbe, nach Körpergrösse oder nach was auch immer geordnet haben will.
Geben Sie sich für die Führung mit wenigen aber wichtigen Informationen zufrieden?
Ja. Ich frage nach weiteren Informationen und lasse mir Unregelmässigkeiten erklären, wenn ich dafür Anhaltspunkte habe. So kam mir zu Ohren, dass wir die Brötchen in der Kantine günstiger Verkaufen, als sie eingekauft werden. Da zitierte ich die Verantwortlichen und fragte nach. Kürzlich kam ich auf einen Mobbing-Fall. Ein Mechaniker, der seit 37 Jahren angestellt ist, berichtete mir, der Mechanikermeister mobbe ihn. Da sagte ich, er solle mir Zeit geben, um das Problem zu regeln. Ich weiss aber noch nicht, wie ich in diesem Fall vorgehe. Aber ich kann Ihnen sagen, wenn der Alpstäg durchgreift, dann macht das mächtig Eindruck. Dann zieht ein Wind durch die Bude. Solche Probleme direkt und nicht über die Stufen einer Hierarchie anzugehen, ist mein Durchgriffsrecht.
Diese Autorität gewinnen Sie ebenfalls durch Ihr Gebaren als Patron. Bei Management-Organisationen haben die Angestellten doch vielfach das Gefühl, die Führung wisse gar nicht, was bei Ihnen los sei.
Genau deshalb gehe ich ein, zweimal jährlich in eine Nachtschicht und packe mit an. Wenn ich mit dem einen oder anderen zusammenarbeite, vielleicht noch ein Znüni nehme, erzählen sie mir ihre Sorgen, aber auch, was gut läuft. So bekomme ich sehr viel mit.
Sie könnten theoretisch in zwei Jahren damit beginnen, Ihr Dasein als Pensionär zu geniessen.
Aber in diesem Alter beginnt man doch erst richtig mit der Arbeit. Ich bin gesund. Weshalb soll ich mit dem Arbeiten aufhören, wenn ich doch gesund bin?
Es gibt viele Leute, die das anders sehen.
Dann sollen sie. Ich kenne aber auch viele Leute, die zu jammern beginnen, weil sie nicht wissen, was sie machen sollen.
Besteht die Gefahr, dass man sich als Patron, der die ganze Verantwortung trägt, für unersetzlich hält?
Ja. Sicher. Ich engagiere nächstens einen externen Unternehmensberater, der meine Leute befragen wird. Vielleicht heisst es dann, ich solle mich nicht mehr überall einmischen. Im allgemeinen mache ich mir jetzt schon Gedanken, wie ich bei all meinen Funktionen überhaupt jemanden nachziehen könnte.
Wenn es tatsächlich heissen würde, sie sollen sich weniger einmischen. Hätten Sie Mühe damit?
Ja, damit hätte ich Mühe. Aber ich würde mir schon überlegen, ob etwas Wahres dran sei und ob ich mich nicht ein bisschen zurück nehmen könnte.
Sie haben angekündigt, bis 70 arbeiten zu wollen.
Manchmal, wenn mich die Banken auch fragen, wie lange ich es noch mache, sage ich ihnen, ich wolle 100 Jahre alt werden und bis 99 arbeiten. Danach mache ich nur noch Sex. Dann fragen sie jeweils nicht mehr weiter.