David Wiederkehr, 48, Berufstaucher, macht eigentlich alles, was ein normaler Bauarbeiter auch macht. Eigentlich. Von den vergangenen 24 Jahren hat er mehr als zweieinhalb Jahre unter Wasser verbracht. (die baustellen Nr.01/2009)

Am Anfang war bei mir der Bau. Ich bin gelernter Maurer. Dann kam das Tauchen, vorerst aber nur als Hobby. Nach etwa drei Jahren wurde es zu meinem Beruf. Mittlerweile habe ich etwa 23000 Stunden als Berufstaucher unter Wasser verbracht. In Schweizer Gewässern wohlgemerkt und nicht etwa draussen im Meer, wo es schön wäre, zu tauchen. Über unseren Beruf existieren vielfach falsche, weil idyllische Vorstellungen. Das habe ich wieder gemerkt, als ich Ende des vergangenen Jahres einen Angestellten suchte. Da meinen dann viele, das Tauchen sei doch lässig und man könne dabei schöne Fischlein beobachten. In Tat und Wahrheit ist es ein Knochenjob. Wir machen alles, was Bauarbeiter an Land auch machen. Es kommt einfach noch der Umstand hinzu, dass wir es in Tauchausrüstung und unter Wasser tun. Wir kommen immer dort zum Einsatz, wo einer nicht mehr ran kommt, wenn er bis zu den Ellenbogen ins Wasser greift. Und im Winter macht das kaum einer.

Ein zweiter Taucher wäre im Weg
Was mir an meinem Beruf gefällt ist, dass man an sehr unterschiedlichen Orten zum Einsatz kommt. Ich habe schon im vierten Untergeschoss einer Bank in einer Sickergrube getaucht. Oder beim kleinen Matterhorn, weil ein Ratrack in den gefrorenen See eingebrochen ist und wir ihn vom Grund des Sees bergen mussten. Die Firmen, die Taucher benötigen, beauftragen gerne jemanden, mit dem sie gute Erfahrungen gemacht haben. So sind wir schon für einen zehnminütigen Tauchgang ins Tessin gefahren, obwohl es natürlich noch andere Taucher in der Region gegeben hätte. Im Normalfall sind wir täglich vielleicht fünf bis sechs Stunden unter Wasser. Ein grosser Unterschied zu den Bauarbeitern an Land ist es dabei, dass der Taucher alleine ist. «Nie alleine tauchen» ist die goldene Regel beim Hobbytauchen. Bei uns ist das anders. Einerseits ist es aus Kostengründen nicht zu rechtfertigen, zwei Taucher aufs Mal einzusetzen. Andererseits wäre es aber auch von der Arbeitseffizienz her nicht optimal. Der zweite Taucher wäre häufig im Weg, würde unnötigen Dreck aufwirbeln oder er müsste vielfach auch einfach nur warten. Dagegen steht an Land immer ein Gehilfe bereit. Mit ihm kommuniziere ich während dem Tauchgang und er sorgt dafür, dass oben nicht in einem Bereich oder an einer Sache gearbeitet wird, die mir gefährlich werden könnte.

Tauchender Allrounder
An Land gibt es Spezialisten für beinahe jede Arbeit auf dem Bau. Aber die gehen nicht ins Wasser. Deshalb muss ich als Berufstaucher eigentlich all diese Arbeiten erledigen können. So ist es fast unabdingbar, dass einer, der auf dem Bau tauchen will, dort auch anderweitige Erfahrungen gesammelt hat. Ein reiner Taucher kommt nicht in Frage. Einerseits deshalb, weil das Tauchen eigentlich nur ein notwendiges Übel für die Verrichtung unserer Arbeit ist, das einfach funktionieren muss. Andererseits, weil blosses Tauchen und arbeiten im Wasser zwei gänzlich verschiedene Dinge sind. Die körperliche Belastung ist nur schon durch das Tauchen je nach Tiefe und Temperatur enorm. Dazu kommt dann noch die eigentliche Arbeit. Und auch psychisch kann es happig sein, wenn man beispielsweise in ein Rohr mit 60 Zentimetern Durchmesser tauchen muss, welches am Grund eines Kläranlagebeckens mit kontaminiertem Wasser liegt. Gedanken daran, was in solchen Situationen alles passieren könnte, muss man gleich wieder ziehen lassen. Ich zähle dann: einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig.

Beat Matter

Beat Matter

Ich schreibe. Und ich fotografiere. Beides fliessend. Für Medien, Unternehmen, Stiftungen, Verbände, Vereine und Private.

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