«Es kommt darauf an»

Auf dem Immobilienmarkt frischt der Wind auf. Die Konjunktur schwächelt, der Franken drückt, und eine restriktive Initiative harrt der Umsetzung. Im Gespräch erklärt Yves Meili, CEO von Meili Unternehmungen, weshalb er dennoch zuversichtlich ist. („intelligent bauen„-Sonderheft zum Immobilienmarkt, Juli 2015)

Stellen Sie sich vor, Sie möchten heute ein privates Immobilien-Investment tätigen. Welche Überlegungen wären für Sie wichtig?
Die Nachhaltigkeit der Wertanlage stünde im Zentrum. Es müsste ein gutes Preis-/ Leistungs-Verhältnis vorliegen und eine auf lange Frist konstante Wertentwicklung erwartbar sein.

Was heisst für Sie «auf lange Frist»?
Wir verstehen uns als Mehrgenerationenbetrieb. Die Diskussion über lange Fristen führen wir immer wieder. Im vergangenen Jahr verkaufte beispielsweise die UBS in der Stadt Zürich ein fantastisches Gebäude. Es wäre aber eines jener Investments gewesen, das in den ersten 30 Jahren fast keine Rendite abwirft. Die Aussicht, in 30 Jahren erstmals Geld zu verdienen, war uns definitiv zu langfristig.

Wäre heute ein guter Zeitpunkt für Ihr privates Investment?
Als Jurist muss ich Ihnen sagen, was ein Jurist immer sagt: Es kommt darauf an. Der Immobilienmarkt ist sehr heterogen. Die Unterschiede zwischen Regionen und Lagen sind enorm. Ebenso die Unterschiede in den einzelnen Nutzungssegmenten. Ein sehr homogenes und deshalb gut vergleichbares Investitionsobjekt ist ein Mehrfamilienhaus mit einem Wert zwischen 2,5 und 6 Millionen Franken. Allerdings ist die Nachfrage so gross, dass verrückte Preise gezahlt werden. Renditen von 3,5 bis 4,5 Prozent, wie wir sie heute in dem Segment beobachten, halte ich für langfristig bedenklich.

Was wären Alternativen?
Geschäftsgebäude, Büroliegenschaften oder Logistikimmobilien. Da sind die Renditen höher, aber auch die Risiken grösser. Und: Weil auch in mageren Zeiten gewohnt wird, ist die Nachfrage nach Büroflächen volatil. Wir haben dennoch stark in Büroflächen investiert: seit dem dritten Quartal 2014 für über 80 Millionen Franken.

Beispielsweise in Zürich sind viele Büroflächen ausgeschrieben. Es wird mit Gratismieten geworben. Ihre Reaktion darauf: Sie investieren Dutzende Millionen in Büroflächen. Weshalb?
Der Büromarkt ist sehr lokal geprägt. Im Raum Zürich gibt es sicher einen gewissen Druck. Aber auch im Raum Zürich würde ich jederzeit in Büros investieren – vorausgesetzt, die Immobilie befindet sich in Bahnhofsnähe. Wir sind da sehr selektiv. Die Finger lassen würde ich etwa von einem Bürocluster aus den 1970er-Jahren mit sehr schwieriger Struktur, der zudem ab vom Schuss liegt.

Was ist «ab vom Schuss»?
Alles, was nicht gut erschlossen ist mit dem öffentlichen Verkehr. Eine Tramhaltestelle ist schon einmal gut. Im besten Fall aber liegt das Objekt innerhalb eines Radius von 500 Metern um einen Bahnhof herum – das kann gut auch der Bahnhof einer Agglomerationsgemeinde sein.

Wo investieren Sie in Büroflächen?
Dort, wo gut erschlossene Objekte zu guten Preisen im Angebot sind. Wir haben jüngst vermehrt in der Innerschweiz in Büroimmobilien investiert. In Sempach beispielsweise. In der Zentralschweiz trifft man auf ein sehr wirtschaftsfreundliches Klima und auf eine insgesamt sehr gute wirtschaftliche Dynamik. Dabei profitieren die zentralschweizer Kantone natürlich auch von ihrer Nähe und der mittlerweile guten Anbindung an Zürich.

Mitte Januar hat die SNB den Franken- Euro-Mindestkurs aufgehoben. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von der Massnahme erfuhren?
Ich war überrascht, wie alle anderen wahrscheinlich auch. Wir haben damit gerechnet, dass die Untergrenze irgendwann aufgehoben wird. Wir haben das aber nicht ins Jahr 2015 eingeplant.

Spüren Sie direkte Auswirkungen?
Im Bereich Hospitality, in dem wir mit unseren Hotels tätig sind, spüren wir Auswirkungen, im Immobilienmarkt bislang nicht. Über kurz oder lang hat die Aufhebung allerdings Auswirkungen auf die gesamte Schweizer Wirtschaftslage. So ein Schock muss zunächst einmal verdaut werden. Wir analysieren deshalb die Situation laufend, rechnen für uns aber nicht mit dramatischen Auswirkungen. Wir haben unsere Investitionen bereits im Zuge der Finanzkrise überprüft und teilweise Bereinigungen vorgenommen.

Einschneidender könnte die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative sein?
Die Zuwanderung ist neben den Finanzierungskosten natürlich einer der Hauptfaktoren für die Immobilienwirtschaft. Würde ein markanter Teil der Zuwanderung wegbrechen, hätte dies selbstredend deutlich spürbare Folgen.

Sie gehen nicht davon aus, dass es so weit kommt?
Die Initiative hatte zum Ziel, die Handlungshoheit über die Zuwanderung wieder in die Schweiz zu holen. Die Schweiz soll die Zuwanderungsrate so steuern können, dass sie für die hiesige Wirtschaft sinnvoll ist. Ich bin heute zuversichtlich, dass die Schweizer Regierung hier das richtige Mass fi ndet. Aber klar, da sind noch viele Fragezeichen. Deshalb verfolgen wir die politische Entwicklung sowie die Entwicklung auf dem Markt intensiv.

Der Immobilienmarkt lief viele Jahre rund. Glauben Sie, die Marktplayer seien heute bereit, um mit schwierigeren Phasen umzugehen?
Sie werden damit umgehen müssen. Die Frage ist nur, wie sie es anstellen. Hier sind die Entscheidungsträger in den Unternehmen gefordert, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und die Firmen so aufzustellen und abzusichern, dass bei Veränderungen die Arbeitsplätze nicht verloren gehen.

Sie sind Anfang der Nullerjahre erstmals und dann 2011 defi nitiv in das Familienunternehmen eingetreten – Sie kennen also nur die Hochkonjunktur. Fehlen Ihnen die Krisenreflexe?
Sicher. Ich habe im Geschäft bislang Golden Times erlebt. Der Markt hat in dieser Phase Fehler auf Investorenseite innert weniger Jahre verziehen. Aber es wäre naiv zu glauben, es ginge die nächsten 50 Jahre so weiter. Deshalb bin ich froh, mit meinem Vater und weiteren erfahrenen Leuten viel Krisenerfahrene um mich zu haben.

Sie verfügen über Anlageliegenschaften mit Wohnungen, Büro- und Gewerbeflächen in der ganzen Deutschschweiz. Welcher lokale Markt erfordert derzeit am meisten Aufmerksamkeit?
Viel Aufmerksamkeit bündelt unser derzeit grösstes Projekt im Bereich Entwicklung und Promotion: «Sun Hill» in Kilchberg. Wir haben dort 34 Eigentumswohnungen erstellt. Der Verkauf läuft, es sind noch acht Einheiten verfügbar. Sobald wir die Hälfte davon verkauft haben, können wir die nächste Etappe mit nochmals 20 Eigentumswohnungen auslösen. Für uns geht es hier um ein sehr grosses Investitionsvolumen im Hotspot Zürich.

Was passiert aktuell in Zürich?
Verschiedenes. Im Bereich von Eigentumswohnungen beispielsweise gibt es in der Stadt Zürich fast kein Angebot. Das heisst: Wenn man die Gelegenheit hat, in der Stadt Zürich Eigentumswohnungen zu entwickeln, hat man eine riesige Nachfrage und kann entsprechende Preise verlangen.

In Zürich West wurden zahlreiche Eigentumswohnungen im Topsegment realisiert, die offenbar nur mit Mühe verkauft werden können?
Hochpreisiges Wohneigentum ist aktuell ein Reizwort. Allerdings ist die Stadt Zürich in unterschiedliche Märkte unterteilt. Das Quartier Hottingen etwa ist sehr ruhig, sehr schön und deshalb sehr beliebt als Wohnquartier. Dort fehlen Angebote. Ganz anders im grossflächigen, rauen Zürich West. Dort ist nach wie vor viel Überzeugungsarbeit nötig. Das Quartier entspricht für viele potenzielle Käufer nicht dem, was sie sich als Wohnumgebung wünschen.

Viele sagen, man kehre nun nach goldenen Jahren zurück zum «normalen » Immobilienzyklus. Kümmert Sie das als langfristig orientiertes Familienunternehmen?
Obwohl wir langfristig orientiert sind, versuchen wir, hart am Wind zu segeln und die Märkte mit ihren aktuellen Dynamiken gut zu erfassen. Wer im Immobilienmarkt Geld verdienen will, muss das Geschäft beim Einkauf machen. Kaufen Sie zu teuer ein, verlieren Sie Geld. Um das zu verhindern, ist die jeweils aktuelle Markteinschätzung essenziell.

Wie flexibel können Sie auf Veränderungen reagieren?
Als KMU und Familienbetrieb ist Flexibilität eine unserer Stärken. Wir können – theoretisch – unsere Strategie von heute auf morgen verändern. Alles, was es dafür braucht, ist eine Sitzung mit meinem Vater, meinem Bruder und mir.

Heute hört man in der Branche, die gegenwärtige Marktlage würde den Spreu vom Weizen trennen. Was macht Sie zum Weizen?
Vor allem der Umstand, dass wir keinen Anlagedruck haben. Wir haben keine Drittinvestoren, sind niemandem Rechenschaft schuldig. Wir setzen uns selbstverständlich Zielgrössen für Entwicklung und Promotion. Aber wenn wir sie einmal nicht erreichen, weil uns beispielsweise ein Segment zu heikel wird, klopft uns niemand auf die Finger. Das erlaubt es uns, sehr selektiv zu sein.

Ihr Vater Alfred Meili ist VRP im Familienunternehmen und ein sehr erfahrener Immobilienexperte. Lässt er Sie als CEO schalten und walten?
Ja. Für mich war das entscheidend, als ich den Entschluss fasste, in den Betrieb einzusteigen. Entscheidung und Verantwortung gehören für mich zusammen. Der Unternehmensnachfolgeprozess hat cirka drei Jahre gedauert, und wir haben verschiedene Varianten analysiert. Nun haben wir eine Lösung, hinter der die gesamte Familie steht. Jetzt laufen die operativen Fäden bei mir als CEO zusammen, und mein Vater hat sich auf das Amt des Verwaltungsratspräsidenten zurückgezogen. Aber er bleibt natürlich mein Sparringspartner. Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, auf seine enorme Erfahrung und sein riesiges Netzwerk zu verzichten.

 

 


Steckbrief:

Die Meili Unternehmungen wurden 1933 gegründet als Handelsunternehmen für Uhren und Schmuck. Ab 1978 baute Dr. Alfred Meili das Unternehmen aus, es kamen die Bereiche Immobilien, Kanzlei und Beteiligungen hinzu. 2002 arbeitete Alfred Meilis Sohn Yves erstmals im Betrieb, 2011 trat er defi nitiv in das Unternehmen ein. Seit 2015 führt der 33-Jährige das operative Geschäft als CEO. Das Familienunternehmen mit Sitz in Zollikon ist in vier Geschäftsfeldern tätig: Der Fokus liegt auf der Investition und Bewirtschaftung des eigenen Immobilienportfolios. Der Bereich Entwicklung und Bau umfasst eigene Projekte. Im Segment «Investitionen Dritte» baut das Unternehmen für ausgewählte Privatkunden Immobilienportfolios auf und bewirtschaftet diese. Und im Hospitality-Bereich führt das Unternehmen fünf Hotelbetriebe: drei in Zürich und zwei in Klosters.

 

Beat Matter

Beat Matter

Ich schreibe. Und ich fotografiere. Beides fliessend. Für Medien, Unternehmen, Stiftungen, Verbände, Vereine und Private.

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